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Bringt RAUS die Leute wieder rein?

■ Erfurter Schauspielhaus: „Real-Absurdes Utopie-Spektakel“/ Programmhefte — gefüllt mit Namen von Autoren, Regisseuren und GesprächsteilnehmerInnen — wenig provozierend

Erfurt (taz) — Über gewisse Dinge kann Bodo Witte, Generalintendant der Erfurter Städtischen Bühnen nicht lachen. So über einen Witz, den sein Chefdramaturg Jürgen Fischer am Nachmittag vor der Vorstellung, der eine Talkshow mit sieben Talkern folgen sollte, machte: „Ich habe eine bessere Verwendung für unsere sieben Blumensträuße. Wir überreichen sie heute unseren sieben Zuschauern!“

Ganze zwei Karten waren im Vorverkauf für diese Veranstaltung abgesetz worden. Dabei sollte Vaclav Havels „Die Benachrichtigung“ nur der Auftakt einer zehntägigen Theateroffensive mit dem Namen „raus“ sein mit der die Erfurter Theaterleute ihr Publikum wieder „rein“ bekommen wollen. „Raus“ (Real-Absurdes Utopie-Spektakel), zumindest (r)ausgesprochen, sollten die Ängste und Probleme, von denen es im Thüringer Land, seiner Landeshauptstadt und natürlich ihren Bühnen mehr als genug gibt.

Auch wenn es am ersten Tag statt der befürchteten sieben noch sieben mal sieben ZuschauerInnen wurden, die nach Ekkehard Kiesewetters Inszenierung von Havels frühem Bürokraten Drama (1965) mehrere Vorhänge erklatschten — ein Spektakel wars (noch) nicht.

Während die Kölner „Saxophon- Mafia“, die das angesichts des hiesigen Seilschaften-Syndroms erschreckend heutige Stück musikalisch (vom Band) begleiteten, nichts auszustehen hatte, stand die „Blues Company“ anschließend im Foyer auf ziemlich verlorenem Posten. Dabei hätte die Band — ein Jugoslawe, ein Jamaikaner, zwei Deutsche — nach der sich die Fans in vielen Ländern Europas alle Finger ablecken, sicher auch die Thüringer Bluesfreaks interessiert — wenn sie's nur gewußt hätten. Die Werbung für die „Raus“-Talkshow-Woche war zwar massiv, aber wenig spektakulär: Die vorher zu Tausenden verteilten Programmhefte waren angefüllt mit Namen von Autoren, Regisseuren und GesprächsteilnehmerInnen, richtig angesprochen oder gar provoziert wurde damit aber kaum jemand.

Dabei verlangt die Thematik Utopie und Realität, um die es derzeit bei den Neu-Bundesländer-BürgerInnen recht trostlos bestellt ist, geradezu nach Provokationen, die im Schauspielhaus auch ganz sicher stattfinden.

Eine solche sind die Plakete des in Berlin lebenden Polen Lex Drewinski — ein Beitrag zur Menschenwürde während eines würdelosen Krieges. Die Ausstellung ist ebenso wie die des Erfurter Schmuckgestalters Rolf Lindner bis Mitte März im Erfurter Schauspielhaus zu sehen. Bis zum 23. Februar laufen noch weitere sechs Inszenierungen des Hauses, mehrere Gastspiele, nach jedem Theaterabend Talkshows zu brisanten Themen — wie „Rechtfertigung ist der bequemste Weg der Erinnerung“ nach der deutschen Erstaufführung von Reinhard Kuhnerts „Das Verfahren“, „Wir sind alle betroffen/DDR-Bürger nach der Wende“ nach Wolf Schneiders „Bewerbung“ (Mittwoch 20.) oder „Auf dem Weg zur Wahrheit“ mit einem der Autoren der Honecker-Protokolle „Der Sturz“, Reinhold Andert nach der letztmaligen Aufführung von Christoph Heins „Die Ritter der Tafelrunde“ (Donnerstag 21.). Zum Abschluß erlebt Slawomir Mrozeks „Tango“ unter der Regie von Christina Emig-Könning (Deutsches Nationaltheater Weimar) seine Premiere. Matthias Opatz

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