: Große Goldmedaillen für Heinz Kuttin
■ Junge Nachwuchsleute bestimmten das Skispringen bei der Weltmeisterschaft im Fleimstal
Val di Fiemme (taz) — In den späten Abendstunden des Samstags schlug unter Flutlicht die Stunde des Österreichers Heinz Kuttin. Beim mit Spannung erwarteten Nachtspringen von der kleinen Dolmiti-Schanze landete der 20jährige Villacher ganz vorn, bestaunt von etwa 10.000 Zuschauern im Stadio del Salto von Predazzo, wobei sicher ebenso viele dem Verkehrschaos Tribut zollen mußten und gar nicht erst ankamen.
Kuttin hatte mit seinen rotweißroten Kollegen Felder, Vettori und Horngacher schon das Mannschaftsspringen gewonnen und viel Lob geerntet. Dabei hatte nach seinem schweren Sturz beim Neujahrsspringen in Garmisch eigentlich nur er selbst an seinen Start bei der WM in Val di Fiemme geglaubt. Spätestens seit seinem vierten Platz auf dem großen Bakken war aber klar, daß hier ein Medaillenanwärter in die Spur ging.
Der 1,92 Meter große und 76 Kilo schwere Athlet hechtete im Finaldurchgang zum Schanzenrekord von 95 Metern, ließ sich von den anderen Titelaspiranten nicht beeindrucken und holte sich völlig verdient Gold. „Ich war schon dreimal Juniorenweltmeister, 1988 im Einzel und mit der Mannschaft und 1989 dann noch einmal mit der Mannschaft. Da gab es vom Umfang her immer kleine Medaillen. Jetzt habe ich gleich zwei große — noch dazu in Gold — bekommen, unfaßbar“, sagte der baumlange Springer nach seinem Triumph und erläuterte sein Erfolgsrezept: „Taktische Geplänkel gibt es bei so einem Wettkampf nicht. Trainer Toni Innauer meinte nur, daß ich im zweiten Durchgang volles Programm springen soll, sonst wird es nichts.“
Der Youngster hat dies offensichtlich bestens in die Tat umgesetzt, ebenso wie der hauchdünn geschlagene silberne Norweger Kent Johanssen, ein anderer Zwanzigjähriger, mit dem, obwohl er 1989 Juniorenweltmeister war, niemand gerechnet hatte.
In die Reihe der jungen Draufgänger gehört natürlich auch der Titelträger von der großen Schanze, der Slowenier Franci Petek. Erst 19 Lenze zählt „Frenk“, wie er von seinen Freunden liebevoll genannt wird, der nun seinen Vorbildern Ulaga und Co. nicht nur im eigenen Land klar den Rang abgelaufen hat. Der Manager, Sänger und Drummer der Hardrock-Band „The Booms“ haute in Predazzo kräftig auf die Pauke, brachte zwei lupenreine Sprünge sicher ins Tal und an seinem Sieg war nicht zu rütteln. Daß dieser keine Eintagsfliege war, bewies Petek am Samstag mit seinem achten Platz auf der 70-Meter-Schanze.
Schwer niedergeschlagen war der Oberwiesenthaler Jens Weißflog nach seinem siebten Platz. „Ich bin enttäuscht, wollte meinen Titel unbedingt verteidigen. Diese Niederlage ist ein harter Schlag für mich. Irgendwie habe ich im entscheidenden Moment den Absprung nicht richtig gepackt, verkrampfte und so ist natürlich in diesem Klassefeld nichts zu holen.“ Bundestrainer Rudi Tusch nahm's nicht weiter tragisch: „Zwei Bronzemedaillen — durch Weißflog auf der Großschanze und durch das Team — damit sind wir zufrieden. Beim Nachtspringen war nach den Trainingsergebnissen und dem Probedurchgang (Thoma 93, Weißflog 91,5 Meter) mehr drin. Wo die Ursachen liegen, ist erst zu analysieren. Den wechselnden Windverhältnissen gebe ich jedenfalls nicht die Schuld.“
Während Weißflog nach einer nun dringend gebotenen Knieoperation wohl auch künftig mit schönen und weiten Sätzen aufwarten wird, droht der Generationswechsel den erfolgreichsten Springer aller Zeiten beiseite zu schieben. Der 27jährige Finne Matti Nykänen, vierfacher Goldmedaillengewinner bei Olympia und WM, wurde nach einem 50. Platz im ersten WM-Springen bei den folgenden Wettbewerben nicht mehr aufgestellt. Private Probleme, Alkohol, sein eigenwilliges Auftreten gegen den Verband scheinen das endgültige Ende einer großen Karriere eingeläutet zu haben. Bei vielen kam Wehmut auf, als Nykänen am Samstag abend einsam im Schanzenauslauf stand und scheinbar teilnahmslos auf den in gleißendes Flutlicht gehüllten Bakken blickte. Gerhard Claar
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