piwik no script img

Rumpel und Gunkel

■ Über die Faszination der Namen in der Chronik der Aufstiegsrunden zur Fußball-Bundesliga WIR LASSEN LESEN

Diese Waschzettel! Daß da mal einer auch wirklich das Buch beschreiben würde, dem er beigelegt ist! Ständig kommt es da offensichtlich zu Verwechslungen, Verwechslungen, die den Konsum- beziehungsweise Rezensenten ganz schön in die Irre führen können, wenn dieser nicht extrem gewitzt ist. Zum Beispiel steht auf dem Waschzettel, der dem Buch Höllenglut an Himmelfahrt. Die Geschichte der Aufstiegsrunden zur Fußballbundesliga 1963-1974 beigelegt ist, folgendes Sätzchen: „Das Buch... schildert die Spannung des jährlichen Rennens um die begehrten freien Plätze im ,Oberhaus‘ und läßt Spieler und Vereine aus diesen Jahren noch einmal aufleben.“

Und? Genau das schafft das Büchel eben nicht. Kein Zweifel, daß die im Anschluß an eine lange Regionalligasaison im Mai und Juni stattfindenden Aufstiegsspiele zur Bundesliga unzählige Höhepunkte, mitreißende Spiele, Spannung, Dramatik, und, wenn man den Fußball als große Bühne akzeptieren will, strahlende und tragische Helden lieferten. Etwa „Ente“ Lippens, der viermal mit Rotweiß Essen auf- und wieder abstieg, oder Sigi Held, den Nationalspieler, der in der Regionalliga bei den Offenbacher Kickers spielte und „für Deutschland“ in Wembley (1966). Oder Günter „Meister“ Pröpper, der bereits ein „Kopfballungeheuer“ geheißen ward, als Kosenamennachfolger Horst Hrubesch noch beruflich auf Dächern herumkletterte.

Die Bildunterschrift auf Seite 107 weiß: „So jubelte der legendäre Hans Walitza nach jedem Tor für den VfL (Bochum).“ Daß Walitza eine, hm, (Fußball-)Legende des Ruhrpotts ist/war, einverstanden, aber warum? Was die siebzehn Geschichten über die elf Aufstiegsrunden erzählen, jede abgeschlossen aus der Sicht eines Vereins, liest sich, als seien sie allesamt von Leuten geschrieben, die selbst nicht dabei waren, dafür ins Archiv gegangen sind und dort so ein bißchen was nachgelesen haben. In den Fällen, wo eine gewissen Beziehung von Autor und Verein durchscheint, wird's sofort besser. Dazu kommen ständige Wiederholungen, weil natürlich immer von denselben Spielern die Rede ist. So darf der omnipräsente Hans „Das war-Spitze“-Rosenthal als Präsident von TeBe Berlin seine Auferstehung gleich im Dutzend billiger feiern.

Eines ist allerdings genial: das Register. Alle Spiele, alle Aufstellungen, alle Tore. Und endlich, beim Herunterbeten der unsterblichen Namen stellt sich die langerhoffte Faszination doch noch ein. Scheid, Dick, Dausmann, Krauthausen (alle RW Oberhausen), Mumme, Haßdenteufel, Kunstwadl (klar, Bayern), Stoffmehl, Bedürftig, Balsam, Nix und Nacken (letzterer von Alemannia Aachen). Namen! Unsterbliche! Der legendäre Zwist zwischen Animal und Intellekt beim KSC mit Wild, Fuchs, Vogel und Falter(-meier) auf der einen, Kafka und Marx (plus Wallenstein!) auf der anderen Seite. Die unschlagbare „Tortenabwehr“ des SV Alsenborn mit Schwarzwälder im Tor und Kirsch in der Verteidigung, all die Stauver-, Bill-, Bier-, Klie-, Herle-, Vogt-, Tauben- und Sondermänner, die Ungewitter, Deppe (Braunschweig), Kohle (Wuppertaler SV), Polzfuß, Leopoldseder und Nepomucky (Alsenborn).

Mühlschwein hütete das Offenbacher Tor, Jungfleisch und (eingewechselt) Hühnchen verteidigten das des 1. FC Saarbrücken, ein Herr Thommes trat das Leder in Reutlingen, und die Herren Rumpel (Mittelfeld) und Gunkel (Sturm) taten selbiges in Schweinfurt.

Ach, ach, es hätte so schön werden können. So aber gilt für ein Buch, das, um allen Mißverständnissen vorzubeugen ganz bestimmt nicht schlecht ist — nein, nein, man hätte halt mehr erwartet — was die „Ente“ auf Seite 39 desselben über Rotweiß Essen wußte: „Damals waren wir für die Regionalliga einfach zu gut und für die erste Liga zu schwach.“ Nicht Höllenglut, nicht Himmelfahrt, halt. Peter Unfried

Ulrich Homann (Hrsg.): Höllenglut und Himmelfahrt. Die Geschichte der Aufstiegsrunden zur Fußballbundesliga 1963-1974. Klartext, 1990. 144 Seiten. 34 D-Mark.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen