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Für das Militär steht die Bodenoffensive unmittelbar bevor

■ Frankreichs Außenminister kennt den Zeitpunkt, nennt ihn aber nicht/ USA setzen Benzinbomben gegen irakische Stellungen und Minenfelder ein

Berlin (dpa/wps/taz) — „Wir befinden uns am Abend oder Vorabend der Bodenoffensive zur Befreiung Kuwaits“, sagte gestern der französische Außenminister Roland Dumas in einem Radiointerview. Man sei genauestens informiert, sagte Dumas, wollte jedoch nicht weiter ins Detail gehen. Den wie üblich auf zensiertem Material basierenden Berichten amerikanischer Zeitungen zufolge beginnt noch in dieser Woche eine großangelegte Offensive der Alliierten zu Land und See, sollten die diplomatischen Schritte nicht binnen dreier Tage Erfolg zeigen.

„Vorbereitung des Schlachtfeldes“ heißt im alliierten Militärjargon die seit dem Wochenende zu beobachtende Phase dieses Krieges. Dahinter verbirgt sich der Einsatz stärkster Explosivstoffe, deren Wirkung unabhängige Militärexperten mit den Folgen von Massenvernichtungswaffen vergleichen. So haben US-Truppen damit begonnen, Fuel- Air-Bomben und „Daisy Cutters“ auf irakische Stellungen in Kuwait zu werfen.

Die Mammutbomben, bei denen hochexplosive Benzinmischungen in der Luft entzündet werden, sollen durch ihren überaus starken Druck Minen zur Detonation bringen. Ziel ist es, Schneisen in die riesigen Minenfelder um Kuwait zu schlagen. „Zugleich können sie durch ihre ungeheure Druckwelle verschanzte und eingegrabene Stellungen beseitigen“, so ein Experte. Fuel-Air-Bomben entziehen zudem der Luft über Minuten jeglichen Sauerstoff. Alle Lebewesen im nahen Umkreis der Explosion, die den Druck und das Feuer überlebt haben, würden dann erstickt. Fuel-Air-Bomben sollen auch gegen irakische Mannschaftsbunker eingesetzt werden. Experten bezeichnen die Waffe ebenso wie Giftgas als „Atombombe des armen Mannes“. Experten schätzen die Sprengkraft dieser Bomben ein wie die eines „sehr kleinen“ Atomsprengkopfes.

Wie die 'Los Angeles Times‘ aus Militärkreisen in Saudi-Arabien erfahren haben will, soll die Bodenoffensive der Alliierten im westlichen Grenzgebiet zwischen Saudi-Arabien und Kuwait erfolgen. Dort sollen mindestens 70.000 alliierte Bodentruppen, Hunderte von Panzern, mobile Artillerie und Raketenwerfer eingesetzt werden. Ein Pentagonoffizier dazu: „Wir werden diesen Kameraden das Innerste nach außen drehen.“

Kein Zweifel besteht jedoch auch bei der Führung der alliierten Truppen, daß die Bodenoffensive, ganz besonders das Durchbrechen der irakischen Linien in Kuwait, das auf ihrer Seite blutigste Unternehmen dieses Krieges wird. Man erwartet eine Verlustrate von mindestens zehn Prozent, in manchen Abteilungen sogar den kompletten Verlust der Einheiten. Gleichzeitig zur Bodenoffensive sollen Angriffe von Luft und See aus erfolgen, die sich nicht nur gegen kuwaitisches sondern auch direkt gegen irakisches Territorium richten.

Am Wochenende setzten die alliierten die Welle von Luftangriffen gegen die Iraker fort. Lediglich Bagdad wurde, vermutlich wegen aufkommender Sand- und Regenstürme, verschont. Iraks Regierungsstellen beschuldigten die britische Luftwaffe, gegen Ende der Woche sei in der Stadt Fallouja erneut ziviles Wohngebiet bombardiert worden. Dabei seien 130 Menschen getötet und 78 verletzt worden.

Bunker-Katastrophe

Hohe Beamte im amerikanischen Verteidigungsministerium haben nach einem Bericht der Londoner 'Sunday Times‘ zugegeben, daß die Bombardierung des Bunkers in Bagdad vergangenen Mittwoch, bei dem Hunderte Menschen ums Leben gekommen sind, ein Versehen war. Die Information, daß der Bunker als militärische Kommandozentrale benutzt wurde, stamme aus den 80er Jahren und sei seit Beginn des Golfkriegs nicht noch einmal überprüft worden, hieß es in dem Bericht am Sonntag. Der Bunker sei als Zufluchtsort für die Parteiführung gebaut worden und als solcher während des Iran-Irak- Kriegs auch benutzt worden. Nach Angaben dieser Beamten soll das Pentagon beschlossen haben, zunächst keine weiteren Bunker mehr zu bombardieren, um eine ähnliche Katastrophe zu vermeiden. Der französische Verteidigungsminister schloß sich dem Standpunkt an, bei dem Bunker habe es sich um ein „bedeutendes, getarntes militärisches Objekt“ gehandelt.

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