: Gut gebrüllt, aber leider: Thema verfehlt
■ Betr.: Die böse, böse Medienwelt", taz vom 14.2.91
betr.: »Die böse, böse Medienwelt« (»Krieg am Bildschirm« — ein Medienforum in der Akademie der Künste), taz vom 14.2.91
Die Autorin liefert mit dem Artikel ein Beispiel dafür, was in der Akademie der Künste kritisiert wurde: Die Schreiberin nimmt die Rolle der neutralen Beobachterin ein, pickt sich Informationsfetzen heraus, die in ein vorher definiertes Bild passen, und schillt in kommentierender Parenthese das schweigende Publikum. Gut gebrüllt, aber leider: Thema verfehlt.
Wer zugehört hat, konnte merken: Nicht die Informationen sind die Waren, die am Medienmarkt gehandelt werden, sondern die Informanten und Kolporteure. Seien es die adlig entlohnten FürstInnen, die im eitlen Zirkus der öffentlich-rechtlichen Anstalten ihre höfischen Intrigen spinnen, oder seien es die StiefelputzerInnen, die im Armenhaus der Gegenöffentlichkeit die Scheren in den eigenen Köpfen schärfen, um eines Tages an die Fleischtöpfe zu gelangen und staatsmännisch über gerechte Kriege zu philosophieren.
Warum ist es so schwierig einzugestehen, daß die Projekte der Gegenöffentlichkeit gescheitert sind, und daß wir gleichzeitig froh sind, daß wir sie noch haben. Noch! Denn es scheffeln einige Ex-tazzen schon fleißig die Kohle eines britischen Pressezaren, der sich die Lippen nach einem Happen eingewöhnter LeserInnenschaft aus dem linken Spektrum leckt. Der gute Schluck Radio 100 ist doch nur der französische Apéritif. Der Hummer kommt später auf den Tisch.
Zensur durch Informationsüberflutung? Vielleicht, aber mit Warenproduktion hat es wohl kaum zu tun, wenn auf der ersten Lokalseite der taz fundamentalkritisch der Valentinstag begackert wird und ein Bericht über zwei Prozesse vor dem Arbeitsgericht, der den Zustand unserer Gesellschaft brilliant charakterisiert, im Innenleben der Zeitung modert. Das könnte sich ein kapitalistischer Meinungsverleger nicht besser wünschen.
Welche Gesetze des Marktes wirken da bitteschön, wenn ich auf der ersten und letzten Seite von taz und Springers 'Die Welt‘ an einem Tag dieselbe Nachrichtenauswahl vorfinde — vorne Krieg und hinten Presseball? Mit der Übermacht monopolitischer Agenturen und gut schmierender PR-Abteilungen hat das hoffentlich nichts zu tun. [...] Christian Sternberg, Berlin 44
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