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Oberster Sowjet berät „schwierige Lage“

■ Golfkrieg und Baltikum im Mittelpunkt der Debatte: „Was wir heute sehen, sah man bereits 1941“

Moskau (afp/dpa) — Der Oberste Sowjet der UdSSR ist gestern zu seiner fünften Sitzung zusammengetreten. Parlamentspräsident Lukjanow wies auf die Bedeutung der Sitzung in der augenblicklichen „schwierigen Lage“ der UdSSR beim Übergang zur Marktwirtschaft hin. Zum Golfkrieg sagte er, es zeichne sich deutlich die Gefahr ab, daß das Mandat des UN-Sicherheitsrats überschritten werde. Boris Oleinik, der Vizepräsident des Nationalitätenrats, eine der beiden Parlamentskammern, zeigte sich „sehr verwundert“ über die Ruhe im Parlament und in der Gesellschaft. „Was wir heute sehen, das sah man bereits 1941. Es besteht das Risiko, daß unter der blauen Fahne der UNO eine schwarze Linie in der Geschichte der Menschheit gezogen wird.“ Auch der Abgeordnete der reformorientierten Interregionalen Gruppe, Sergej Riabtschenko, wies darauf hin, daß der militärische Konflikt außer Kontrolle zu geraten drohe. Der Sprecher der konservativen Kräfte, Oberst Wiktor Alksnis, sagte zum Thema Golfkrieg, derzeit stürzten die letzten Mythen der Perestroika in sich zusammen, in diesem Fall der Mythos von den glänzenden Erfolgen der sowjetischen Außenpolitik.

Auch auf die Lage in den Baltenrepubliken gingen die Redner ein. Der kommunistische Abgeordnete Wiktor Lissyzki bekräftigte die Notwendigkeit, die blutigen Ereignisse in Vilnius und Riga zu untersuchen, bei denen etwa 20 Menschen ums Leben gekommen waren. „Diese Aktionen richteten sich nicht nur gegen die Demokratie, den Obersten Sowjet und den Präsidenten. Es geht auch um das Vertrauen der Welt in unser Land.“

Lebensmittel für Süd-Ossetien

Truppen des sowjetischen Innenministeriums haben die Blockade gegen die Kaukasus-Region Süd-Ossetien durchbrochen und versorgen die Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern. Wie die amtliche sowjetische Nachrichtenagentur 'Tass‘ berichtete, leiden die Bewohner der süd-ossetischen Hauptstadt Zchinwali und anderer ossetischer Bezirke allerdings weiter unter einer kritischen Nahrungsmittelknappheit. „Die Energieversorgung ist unterbrochen, und Wasser ist eine Seltenheit“, berichtete die Agentur.

Die sowjetische Nachrichtenagentur 'Interfax‘ meldete, am Wochenende sei es wieder zu bewaffneten Zusammenstößen gekommen. So sei am Sonntag eine Gruppe von Verkehrspolizisten und georgischen Milizionären beschossen worden.

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