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»Nicht übers Knie brechen«

■ Hauptstadtfrage: Bundessenator Radunski fordert Bonner Kommission, um Entscheidung vorzubereiten/ SPD weiter uneins über Regierungssitz

Berlin. Der Senat bleibt bei seiner Ansicht: Die Entscheidung über den Regierungs- und Parlamentssitz darf »nicht übers Knie gebrochen« werden. Wegen des massiven öffentlichen Drucks nach diesbezüglichen Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen sah sich gestern der Senator für Bundesangelegenheiten, Peter Radunski (CDU), genötigt, nach der Senatssitzung zu erklären, was er denn eigentlich in Bonn für eine Entscheidung zugunsten Berlins zu tun gedenkt.

Radunski bekräftigte seine bereits im Gespräch mit der taz geäußerte Position, mit einer Entscheidung sei nicht vor der Sommerpause des Bundestags zu rechnen. Er möchte in Bonn eine Kommission einsetzen, die die Entscheidung vorbereiten soll; ihr sollen Mitglieder der Parteien, der Bundesregierung sowie von Bundestag und Bundesrat angehören. Radunski begründete seine Einschätzung mit der aktuellen politischen Lage: Wegen der Golfkrise und der »Geldkrise« — gemeint war die Diskussion um die finanzielle Ausstattung der Ex-DDR — stehe die Hauptstadtfrage derzeit bei den »politischen Führungen« nicht im Zentrum. Außerhalb von Bonn und Berlin spiele das Problem in der öffentlichen Debatte derzeit keinerlei Rolle, glaubt der Bundessenator.

Erst wenn die aktuellen politischen Probleme gelöst seien, könne die Hauptstadtfrage wieder ins Zentrum rücken — Radunski hält einen Termin im Herbst oder im Frühjahr nächsten Jahres für wahrscheinlich. Vorbereitet werden soll diese Diskussion durch die Kommission, die nach Wunsch Radunskis in den nächsten sechs bis acht Wochen ihre Arbeit aufnehmen soll. Als Zeitraum für einen Umzug nannte Radunski rund zehn Jahre. Der Berliner Senat will seine Aktivitäten verstärken und vor allem mit einzelnen Bundestagsabgeordneten, Bundesratsmitgliedern, Vertretern von auswärtigen Medien und aus Wirtschaft und Wissenschaft um den Regierungssitz werben. »Berlin muß sein Image aufwerten«, meint Radunski, nachdem in Bonn massiv und »mit linksrheinischer Gemütlichkeit« gegen Berlin Stimmung gemacht werde.

Erneut in die Hauptstadtdebatte eingegriffen hat gestern SPD-Chef Hans-Jochen Vogel: In Bonn machte er sich für Berlin stark. »Regierung und Parlament gehören dorthin, wo die Probleme der Menschen zu spüren sind, und nicht in einen Schutzraum.« Auch der Berliner SPD-Vorsitzende Walter Momper meldete sich gestern zu Wort: Er reagierte erzürnt auf ein taz-Interview mit dem designierten Nachfolger Vogels, Björn Engholm, in dem der seine »Präferenz für Bonn« erklärt hatte. Der Ex-Regierende warf dem Parteifreund vor, »offenbar unzureichend informiert zu sein«, und lud ihn ein, nach Berlin zu kommen, »um seinen Blick durch die westliche Brille zu korrigieren«. kd

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