: Europäische Blicke
■ Holzschnitte von Wakilur Rahman im BAZ
Wakilur Rahman lebt und arbeitet seit drei Jahren in Prenzlauer Berg, nachdem er seine Ausbildung in Dakka, Bangladesch, und einen mehrjährigen Studienaufenthalt in Peking absolviert hat. »Die Kunst ist heute in Bangladesch contemporary modern art; ich glaube nicht, daß der Unterschied zwischen der europäischen und der bengalischen Kunst sehr groß ist«, sagt Rahman. Denn Bangladeschs Kunst sei durch das britische System von Kunsterziehung geprägt, ebenso wie das Erziehungssystem insgesamt durch die einstige Kolonialmacht bestimmt ist. »In den sechziger und siebziger Jahren gingen die Künstler nach Europa zum Studium, und wenn sie zurückkamen, malten sie in europäischer Weise.« So umreißt der Maler die Situation, mit der die KünstlerInnen seiner Generation heute konfrontiert sind. Es ist die Problematik einer Kunstgeschichte, die die Moderne in Europa und Nordamerika stattfinden ließ und läßt, einer Kunstgeschichtsschreibung, die mit ihrem Eurozentrismus bis heute weitgehend der Geschichtsschreibung folgte.
Hier begeben sich Rahmans Holzschnitte auf die Suche, sind Annäherungen an den way of thinking und Formen von Spiritualität, die er als charakteristisch für die bengalische Kunst empfindet. Für den nichtbengalischen Betrachter bedeutet dies die Notwendigkeit zweier Blicke. Ein erster nimmt die Formen und Farben auf, die Expressivität des Holzschnittes scheint auch dem europäischen vertraut, die Beschränkung der mehrfarbigen Holzschnitte auf unvermischte Grundfarben steigert sie noch. Darüber hinaus finden sich Anknüpfungen an Volkskunst, bengalische Literatur, religiöse Gedankenwelt und die Baoul-Philosophie, die als eine Art populäre, religionskritische Volksphilosophie in Bangladesch verbreitet ist.
Rahman geht es nicht um Nachahmung traditioneller Vorbilder, er greift sie vielmehr in freier Weise auf und arbeitet sie als eine weitere, mögliche Dimension in seine Formen und figürlichen Kompositionen ein. Die Verarbeitung von Traditionen ist auch Reflexion der eigenen Situation in Berlin/DDR und jetzt Gesamt-Berlin. Die Ausstellung der Druckgrafik Wakilur Rahmans bietet so, gerade weil sie seine Suche selbst als Thema sichtbar macht, die Möglichkeit, die Verengungen europäischer Kunstgeschichte und -betrachtung aufzuspüren. Thomas Quehl
Wakilur Rahman — Druckgrafik noch bis zum 28. Februar im Interkulturellen Treffpunkt »Grenzenlos« c/o BAZ, Oranienstraße 159, Mo.-Fr. 14 bis 19 Uhr.
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