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Haushaltsentwurf 1991Bundeskabinett segnet Waigels Fahrplan ab

■ Das Bundeskabinett in Bonn hat am Mittwoch den Bundeshaushalt 1991 und die Finanzplanung entsprechend den Vorstellungen seines Finanzministers verabschiedet. Wegen der hohen Kosten der Einigung Deutschlands wurde Waigel ermächtigt, neue Schulden zu machen. Die Berlinförderung soll bis 1994 abgeschafft sein.

Björn Engholm, der künftige SPD-Vorsitzende, schilderte gestern in Bonn die „dramatische Situation“ in den neuen Bundesländern: „Ganze Branchen stehen vor dem Kollaps. Die Binnenmärkte und die Exportmärkte sind zusammengebrochen. Qualifizierte Arbeitskräfte wandern in den Westen ab.“ Im Norden bestehe die Gefahr, „daß die Werften zusammenbrechen und ganze Elendsgebiete entstehen“. Er rechne im Norden mit einer Arbeitslosigkeit von 70 Prozent. Die Norddeutschen würden das mit ihrer „historischen Geduld“ eine gewisse Zeit ertragen, „aber nicht ewig“.

Engholm hat ausgerechnet, daß die Bundesregierung 230 Milliarden braucht, um die neuen Länder auf den wirtschaftlichen Stand der alten zu bringen. Selbst wenn auf die geplanten Steuersenkungen verzichtet und an allen Ecken und Enden gespart würde, blieb immer noch eine Finanzierungslücke von 120 Milliarden. Von der Bundesregierung forderte Engholm deshalb, die Gewerbekapital- und Vermögenssteuer nicht abzuschaffen und noch mehr als geplant im Verteidigungshaushalt einzusparen. Außerdem appelliert er an die Solidarität der Einzelnen: Besserverdienende sollen eine Ergänzungsabgabe zahlen. Auch über eine Arbeitsmarktabgabe müsse nachgedacht werden. Er lehne außerdem eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht ab, sagte Engholm, es gebe dazu jedoch noch keinen Parteibeschluß. Fest stehe jedoch, daß sich Länder wie das Saarland, Bremen oder Schleswig-Holstein ohne Mehreinnahmen nicht mehr weiter an den Kosten für die neuen Bundesländer beteiligen könnten.

Der designierte Parteivorsitzende stellte gestern die Vorschläge der SPD zum Aufbau in den neuen Ländern vor: Wichtige Firmen, wie z.B. die Werften im Norden, müsse der Staat „fünf Jahre lang durchfinanzieren“. Nur so könnten Arbeitsplätze langfristig gesichert werden. „Ein Solidarpakt zwischen dem Staat, den Unternehmen, den Gewerkschaften und den öffentlichen Institutionen“ sei notwendig. Vor allem müßten jetzt die Länder und Gemeinden im Osten so ausgestattet werden, „daß sie den örtlichen Handwerkern Aufträge erteilen können“. Auf jeden Fall müßten die Hilfen aus dem Westen im Osten ausgegeben werden und nicht, wie im Moment, zu 85 Prozent in den Westen zurückfließen. Auch gehe es nicht an, daß gute Industrieanlagen von Westfirmen „ausgeschlachtet“ und bislang erfolgreiche Betriebe, wie die Firma Zeiss in Jena, zugrunde gingen.

Engholm warf der Bundesregierung vor, sie habe den Leuten im Osten falsche Versprechungen gemacht. Deshab sei die Verbitterung heute um so größer. West- und Ostdeutsche rief er „zu einer großen Kraftanstrengung“ auf, „um den Kollaps aufzuhalten“.

Auch CDU-Generalsekretär Volker Rühe sprach gestern von einer notwendigen „gemeinsamen Kraftanstrengung“. Er gab zu, daß auf die Menschen in den FNL noch schwere Zeiten zukämen, die „außerordentliche Umstellungs- und Anpassungsleistungen“ erforderten. Rühe rief die BürgerInnen im Osten zu „Geduld“ auf. Noch mindestens vier Jahre lang müßten sie mit niedrigeren Löhnen rechnen. Von den „Menschen im Westen“ verlangte er, „neue Ansprüche an staatliche Leistungen“ erst mal zurückzustellen.

Wer in der Industrie Karriere machen wolle, müsse sich „erst mal im Osten bewähren“, genau das solle der Staat auch von seinen Beamten verlangen. Rühe schlug außerdem eine Erhöhung der Lohn- und Einkommenssteuer von fünf Prozent vor. Auf die Frage, ob die Bundesregierung erst jetzt die Dramatik der Situation in den neuen Bundesländern erkannt habe, sagte Rühe: „Es gibt die erwarteten Schwierigkeiten. Und es gibt durch die Golfkrise und die Situation in Osteuropa neue Schwierigkeiten.“ Tina Stadlmeyer, Bonn

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