Wenn Männer zu Tieren werden

Foto: Metin Yilmaz (Paparazzi)

»Berlin als künftige Metropole Europas braucht ein erstklassiges, von erfahrenen Leuten geführtes Varieté Theater...« — nicht gerade Understatement spricht aus dieser Zeile des Konzeptes von »Chamäleon«, einem neueröffneten Varieté Theater in Berlin Mitte. Immerhin haben sich die Macher gegen so etablierte Spielorte wie die Scheinbar oder das Quartier Latin durchzusetzen. Doch auch hinter »Chamäleon« verbergen sich einige bekannte Gesichter: 'Parody Paradise' z.B. sind zum Teil mit im Geschäft. Und das verdient gut anzulaufen.

Mit viel Liebe hat die Truppe die Räume des ehemaligen Kinos 'Imperial' zu einem wunderschönen Theatersaal umgebaut. Bei schummriger Beleuchtung sitzt, trinkt, raucht der Zuschauer und wird bereits vor der Vorstellung durch Lautsprecheransagen in das Programm geführt. Dieses beginnt — leider — mit einem unsäglichen Conferencier, peinlich, aber nicht peinlich genug, um schon wieder gut zu sein. Seine An- und Absagen sollen wohl witzig sein, doch nur müdes Lächeln quält sich auf die Gesichter: er ist der Downer des Programms.

Die einzelnen Programmteile lassen dann aber diese Fehlbesetzung wieder vergessen. In »Wenn Männer zu Tieren werden« — oder war es vielleicht umgekehrt? — verrenken sich drei Mitwirkende in römisch-griechisch-undefinierbaren Gewändern derart merkwürdig, daß sie fatal an Elefanten beim Handstand erinnern. »Heinzi vom Westkreuz« zaubert mit völlig durchschaubaren Tricks. Das ist zwar sehr komisch, denkt man, aber zaubern, nä, dat kann er nicht. Plötzlich jedoch verschwinden auf unerklärliche Weise diverse Tücher und Stöcke. Nicht ganz so unerklärlich dagegen löst sich das Spiegelbild eines 'Magiers' in Luft auf: Sein Partner hinter dem — natürlich — leeren Rahmen, gleich angezogen und choreographiert, sieht ihm so wenig ähnlich, daß sogar ein kleines Kind stolz quer durch den Raum verkündet: »Daf ift ja gar nich derfelbe!« Und genau daf ift der fpringende Punkt: mit viel Selbstironie zeigen die Akteure ihr Können. Kein aufgeblasenes Getue ist ihr Programm, sondern Kunst, die einen zugleich lachen und staunen läßt.

Sicherlich — alles ist noch nicht rund, die Übergänge könnten besser klappen, die Sängerin könnte noch ein bißchen singen üben, das Bühnenlicht noch atmosphärischer werden. Insgesamt jedoch ziehen »Chamäleon« das Programm mit viel Charme und Können durch. Und erreichen auf ihre Art etwas ganz Besonderes: eine Kunstform, die völlig unabhängig von Alters- oder sozialen Klassen gefällt. Anja Poschen

Varieté im »Chamäleon« in der Rosenthaler Str.40/ 41 Freitag bis Montag jeweils 20.30 Uhr — bis zum 1.April