: »Armutsmetropole« Berlin
■ Scharfe Oppositionskritik an der Regierungserklärung Diepgens/ Grüne: Berlin droht »Palermo der neuen Bundesländer« zu werden
Berlin. Mit heftiger Kritik an der Regierungserklärung von BÜrgermeister Eberhard Diepgen (CDU) begann gestern im Berliner Abgeordnetenhaus die Debatte über die Richtlinien künftiger Politik in der Bundeshauptstadt. Die PDS-Fraktionsvorsitzende Gesine Lötzsch warf dem »Unternehmen Berlin«, das Diepgen in seiner Erklärung am 7. Februar propagiert hatte, die Ausgrenzung Hunderttausender Menschen vor. In Berlin und Brandenburg seien bereits 667.000 Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen. Der Wahlbetrug »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« sei zum Stufenplan degeneriert. Frau Lötzsch verlangte die konsequente Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes auch im Verhältnis von Ost und West. Der 1.Juli, an dem die Kurzarbeiterregelung im Osten auslaufe und die Kürzung der Berlinförderung einsetze, drohe zum »schwarzen Tag für Berlin« zu werden.
Wolfgang Wieland von der Fraktion Bündnis 90/Grüne nannte die Regierungserklärung »ohne Saft und Kraft, ohne jede Konzeption«. Bereits jetzt würde sich die Lähmung der großen Koalition »sargdeckelgleich über die Stadt legen«. Berlin drohe zur Armutsmetropole zu werden, »eine Art Palermo der neuen Bundesländer«. Die Stadt habe kaum noch Aussicht, Regierungssitz zu werden, denn Kanzler Kohl, der das entscheiden müsse, fühle sich im »Bonner Mief« sehr wohl.
Die FDP-Landes- und Fraktionsvorsitzende Carola von Braun meinte, in der Regierungserklärung stecke »soviel Vision wie in einem ‘Hamburger‚«. Statt Mut zu neuen Modellen gebe es nur ordentliches Aufzählen von Verwaltungsvorlagen. In Ost-Berlin und den neuen Ländern verfalle mehr, als notwendig wäre, auch der Lebensstandard und die Bausubstanz. Die Regierungserklärung lasse »mutige und vertrauensstiftende Maßnahmen« vermissen, die die Bürger Berlins davon überzeugen würden, daß ihre Probleme erkannt und tatkräftig angepackt werden.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky wies die Kritik der »vereinten öko-sozialistisch-kommunistischen Opposition« und der FDP zurück. Zugleich rügte er die «historisch unhaltbare und kleinkarierte Diskussion« um den Regierungs- und Parlamentssitz. Wer gegen Berlin auftrete, wolle »einen spießigen Regierungssitz im Wohlstandsdreieck und eine Hauptstadtattrappe im Armutsviertel Deutschlands«. Nur in Berlin könnten die Verfassungsorgane täglich miterleben, was Einigung konkret bedeute. Mit Nachdruck wandte sich Landowsky gegen den geplanten »überhasteten Abbau« von Berlinhilfe und Berlinförderung, der mit den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft unvereinbar sei. adn
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