: Interflug — noch Arbeit über Wolken?
■ Personal soll auf ein Drittel reduziert werden/ ÖTV und Gesamtbetriebsrat der Fluggesellschaft fordern Beschäftigungs-GmbH/ Tegel und Schönefeld bräuchten jährlich 1.000 Beschäftigte zusätzlich
Berlin. Das Personal der Interflug soll von derzeit 2.900 auf 1.000 Mitarbeiter reduziert werden. Dies wurde nach Angaben der Treuhandanstalt gestern bei einem Gespräch mit Geschäftsführung und Betriebsrat der Interflug sowie der Gewerkschaft ÖTV beschlossen. Die Frist bis zur endgültigen Entscheidungsfindung sei verlängert worden. Geprüft werden solle noch, ob die Interflug »im Charterbereich die Flüge selbst abfliegen kann«, teilte die Treuhand mit. Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertreter wollen über Form und Ausstattung einer Qualifizierungsgesellschaft verhandeln, um den von Entlassung bedrohten Beschäftigten eine Arbeit auf modernen Maschinen anderer Fluglinien zu ermöglichen. Die Treuhand hatte zunächst den Weiterbetrieb der Interflug bis zum 8. März garantiert.
Arbeitgeber der Luftfahrtbranche sollen sich an der Qualifizierungsgesellschaft beteiligen, zehn bis zwölf Mitarbeiter die Weiterbildungsmaßnahmen organisieren. Die Treuhand hätte die Löhne zu zahlen und diejenigen zu bezuschussen, die umgeschult oder fortgebildet werden sollen. Diese Zuschüsse könnten bis zu 90 Prozent des letzten Nettoeinkommens betragen, um so die Leistungen aus dem Arbeitsförderungsgesetz zu verbessern.
Die Gewerkschaft glaubt zum einen, daß die Interflug-Beschäftigten mit Weiterbildung erheblich bessere Aussichten auf einen neuen Job hätten. Zum anderen bestehe auf den beiden Berliner und dem Schönefelder Flughafen ein jährlicher Personalbedarf von 1.000 Beschäftigten zusätzlich — bis zum Jahr 2000 steige das Passagieraufkommen jährlich um elf Prozent.
Die Fluggesellschaft hat bereits begonnen, Leistungen einzustellen. Von ehemals 29 Linien werden noch 18 geflogen. Interflug schickt seine Donnervögel nicht mehr nach Leningrad, Kopenhagen, Rom und Mailand. Auf Grund des Golfkrieges sind die Verbindungen nach Tel Aviv, Damaskus und Kairo eingestellt worden. Seit gestern führt die Ex-DDR-Linie auch nicht mehr nach Istanbul. Zur Zeit ist in einem Interflieger jeder zweite Platz frei. Bisher ist noch nicht entschieden, ob die Fluggesellschaft nach der Abwicklung dichtgemacht wird oder ob einzelne Betriebszweige möglicherweise in veränderter Form erhalten bleiben.
Nach Angaben der ÖTV haben sich vier weitere Interessenten gemeldet, die bei Interflug einsteigen wollen. Es gebe Überlegungen, ob ein Teil der Fluggesellschaft als selbständiges Unternehmen Fracht fliegt. 200 Beschäftigte des fliegenden Personals hätten Aussicht auf einen Arbeitsplatz über den Wolken, wenn zwei der Iljuschin 62 als Chartermaschinen fliegen würden. Aus Vietnam und der Mongolei soll dafür Bedarf angemeldet worden sein.
diak
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