: Gegen die Egalheit
■ Kleines Manifest für Kulturpolitik für Bremen / Teil 2: Für Öffentlichkeit und Stadtbibliotheken-Glanz
Im 1. Teil dieses „Kleinen Manifests“ wurde argumentiert: Der Bremer Kunstpolitik fehlt mehr als Geld jegliche Orientierung. Diejenige an der auf eine Fortsetzung der Behörde mit schlechteren Mitteln hinaus. Als erstes einer Reihe von Beispielen, wie Kulturpolitik entstünde durch entschiedenen und pfleglichen Umgang mit Traditionen und mit Öffentlichkeit: Die Literarische Woche.
Die Literarische Woche könnte von einem Potpourri der Nischenkultur zu einem echten Forum werden, wenn erstens Literatur von lebendigen SchriftstellerInnen wirklich präsent gemacht wird, und/oder zweitensDiskussionen über Literatur für ein großes Publikum inszeniert würden.
Zur Organisation müßten kompetente Leute von außerhalb der Behörde verpflichtet werden, so wie im vorigen Jahr Gerd Sautermeister. Die Woche müßte einen Ort haben, der statt einverständlicher Nischenkulturen Öffentlichkeit zuließe. Das würde auch bedeuten, den Bann für die schreibende und filmende Öffentlichkeit von jenseits des Tellerrands aufzuheben.
Der Ort könnte sinnvollerweise die Universität sein, die dazu allerdings aus ihrem Status als gewerkschaftlich pünktlich verschlossenem Strafgefangenenlager in der Steppe in eine Universität verwandeln werden müßte.
Präsentieren von Literatur heißt nicht über sie schwätzen, sondern die Neugier auf sie so fördern, daß sie gelesen wird. Dazu müßten die Bücher der PreisträgerInnen und auch derer, die die Jury nicht prämiert hat, in den Stadtbibliotheken ausliegen und in den Wochen vor der Preisverleihung vorgelesen, ja, vorgelesen werden.
Die Bibliotheken wären Orte des Lesens und des Diskurses, die sie sein sollten. Zu den abschließenden zentral stattfindenden Büchergesprächen könnte man die AutorInnen als Zuhörer laden, die immer eingreifen dürfen, aber nicht Fragen beantworten, warum sie eigentlich schreiben.
Gibt es aber eine spannende Diskussion über Literatur in der papierenen Luft der Feuilletons, dann holt man sie halt her und macht sie so life
hierhin bitte
das Lenkrad
an der Wand
wie Sautermeister 1990 die Kontroverse über Jellineks „Lust“. In diesem Jahr wäre die halb geführte Debatte über DDR-Literatur und ihre BRD-Rezeptoren fällig gewesen. Verpaßt, verpennt.
Was uns das lernt? Daß, gäbe es eine Bremer Kulturpolitik, man sie erkennen würde an ihrer Wendung von der Nische zur Öffentlichkeit, zur Förderung und Nutzung organisatorischer und inhaltlicher Kompetenz außerhalb der Behörde, zur Pflege vorhandenener und wegwerfend behandelter Institutionen wie der Uni und der Stadtbibliotheken, und zum Anknüpfen an Traditionen, wo es sie gibt.
Denn: es gibt in Bremen zwar kaum literarische Produktion, es gibt aber ein traditionell offenes, räsonnierendes Publikum, spätestens seit sich die 48-er Kämpferin Marie Mindermann und die Mutter der Frauenrechtlerin Ottilie Hoffman beim Kränzchen die neuste Literatur vorlasen.
Daß es eine große, neugierige und artikulationsfähige Öffentlichkeit hier gibt, war zuletzt bei den blamablen Simulationsdiskussionen im Schauspielhaus zu sehen — und auch wie sie veräppelt wurde.
Gäbe es eine Kulturpoltik in Bremen, gäbe es neben einer glanzvollen Literaturwoche eine ebensolche über Stadtbau: Aufgetaktet im Rathaus, zur Erinnerung, daß hier mal gebaut werden konnte, fortgesetzt in der Hochschule in der Neustadt, wo Architekten ausgebildet werden, alle zwei Jahre, mit außerhanseschen Haus- und Stadtbauern, über Sein und Sollen des Bremer Stadtbaus.
Auch dies wäre Neuland und Anknüpfen an eine Tradition. Es gab ja die Struktur aus Kirchtürmen und Bremer Bürgerhausern. Ob sie tatsächlich durch die Gemütlichkeitsorgie in Klinker-Erker-Klinker fortgesetzt werden soll, brennt genauso auf Diskussion wie in der DDR die Frage, ob den sozialistischen Wüsteneien am besten mit der Rekonstruktion von Kirchen und Schlössern Eigenes zurückzuerstatten ist. Uta Stolle
Teil 3 folgt am Montag
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