Sibirien-Hilfe ungebremst

■ Cap-Anamur-Komitee startet neuen Konvoi nach Sibirien

Berlin (taz) — Ungeachtet aller Kritik läuft die Aktion „Helft Rußland“ weiter. Heute startet ein weiterer LKW-Konvoi des „Cap-Anamur- Notärztekomitees“ in die siebeneinhalbtausend Kilometer entfernte sibirische Kohlestadt Prokopjewsk. Ausgestattet mit den Spendengeldern des Senders Freies Berlin (SFB) sollen — wie die Veranstalter beteuern — überwiegend medizinische Hilfsgüter füe eine „deutsche Apotheke“ geliefert werden. Trotz der massiven Kritik an der ersten Hilfslieferung, die über die Jahreswende erfolgte, verzichtet der SFB diesmal von vorneherein auf eine Kontrolle über die Spendengelder. Keiner der Rundfunk-Mitarbeiter, die insgesamt an die drei Millionen Mark unter dem Stichwort „Pomosch — Hilfe für Sibirien“ gesammelt haben, begleitet den Hilfskonvoi. Beim ersten Hilfstransport hatten 15 LKWs fast ausschließlich Lebensmittel nach Sibirien gebracht. Der Dank in Prokopjewsk war allerdings gequält: Grundnahrungsmittel gibt es in der Stadt genug und dringend benötigte medizinische Güter wurden nicht geliefert. Besonderer Stein des Anstoßes war die Lieferung von 16 Paletten mit „Ölpflegetüchern“.

Der jetzige Konvoi besteht aus neun Lastkraftwagen, die in der Stadt verbleiben und dem Arbeiterkomitte zur Verfügung gestellt werden sollen. Unklar ist, wie die Hilfslieferung des ersten LKW-Trecks verwendet wurde. Der Vorsitzende der Notärzte-Vereinigung, Rupert Neudeck, erklärte gestern, die Lebensmittel würden über Suppenküchen an die Bedürftigsten der 280.000 Einwohner Prokopjewsks verteilt, die das Rote Kreuz, das städtische Arbeiter-Komitee und die Stadtregierung eingerichet hätten. Eine Dolmetscherin vor Ort erklärte dagegen, daß die orthodoxe Kirche als einzige für die Armen in der Stadt kochten. Das Arbeiterkomitee sei seit Wochen nur damit beschäftigt, die Verteilung der Hilfslieferung möglichst gerecht zu organisieren. Wolfgang Gast