piwik no script img

Bonn apart: Ein Toast auf die abwesende Frau Chamorro

■ In Bonn gerieten Soli-Gruppen und die nicaraguanische Regierung aneinander

Violeta Chamorro, die nicaraguanische Präsidentin, gab sich nach ihrem Besuch beim Bundeskanzler und dem Entwicklungshilfeminister zunächst friedlich und zufrieden: „Menschliche Wärme“ sei ihr entgegengebracht worden, und 95 Millionen habe man ihr versprochen. Dann setzte sie eine eisige Miene auf: „Das Monster der sandinistischen Partei“ habe ihr Land in den Ruin getrieben, verriet die Präsidentin den versammelten Journalisten. Gleich darauf strahlte sie wieder: Das Hauptziel ihrer Regierung sei die „Versöhnung“ der verfeindeten Gruppen in Nicaragua.

Am Nachmittag sollte Violeta Chamorro auf Einladung der Botschaft mit den deutschen Freunden des „Monsters“, den Nicaragua- Soligruppen zusammentreffen. Doch bevor sie zu Eberhard Diepgen nach Berlin aufbrach, fühlte sich die Präsidentin plötzlich unpäßlich. Der schöne Plan der „Sandalistas“ vom Infomationsbüro Nicaragua brach zusammen. Sie hatten ausgeheckt: Zuerst wollten sie einen „Toast auf Violetta Chamorro“ aussprechen, darin die Zusammenarbeit der Regierung mit den „Schergen Somozas“ anprangern und dann unter Protest die Veranstaltung verlassen. Mangels Präsidentin kam dann alles ganz anders.

Die Botschaft hatte nicht nur Soli-Gruppen, sondern auch Bürgermeister deutscher Partnerstädte von nicaraguanischen Kommunen und Kirchenvertreter eingeladen. Zunächst schwelgte Außenminister Enrique Dreyfus in Worten der Dankbarkeit für „alle, die unser Land in den letzten Jahren unterstützt haben“. Die Regierung sei jetzt gezwungen, „harte Maßnahmen“ zu ergreifen. Deshalb sei es besonders gut, daß sich Solidaritätsgruppen um die Armen in der Bevölkerung kümmerten. Man sehe es allerdings nicht so gerne, wenn die Gruppen statt mit Nicaragua nur „mit einer bestimmten Partei“ (er sagte nicht: mit den Monstern) solidarisch seien.

Die Aktivist Innen von den Soli- Gruppen hielt es vor Empörung kaum mehr auf den Stühlen. „Wir können doch nicht durch unsere Arbeit all das wieder gut machen, was Sie durch Kürzungen im sozialen Bereich anrichten“, rief eine von ihnen. Eine Vertreterin der Städtepartnerschaft Dorsten-Waslala berichtete, in Nicaragua würden die Spendengelder mißbraucht. Ihr Verein habe Geld für bestimmte Projekte gesammelt, die neue konservative Stadtregierung von Waslala verwende die Spenden jedoch nach ihrem Gutdünken.

Außenminister Dreyfuß setze zu einer Lobrede auf die „neugewonne Demokratie und Freiheit“ in Nicaragua an. Er schlug der Soli- Frau vor, ihr Anliegen doch bitte schriftlich an die Regierung zu richten. Nach zwei Stunden ununterbrochenen Aneinander-vorbei- Redens explodierte die Spannung im Saal: Er habe die Schönfärberei satt, rief ein Sprecher der Ärzteorganisation Medico International und rauschte hinaus. Uwe Peter vom Info-Büro Wuppertal setze zu seinem geplanten „Toast auf die abwesende Violeta Chamorro“ an. „Wir wollen hier keine politische Propaganda“ brüllte ein Vertreter der Stadt Dorsten dazwischen: „Wir wollen wissen, wie wir unser Geld überweisen können. Wir helfen unpolitisch.“ „Es gibt keine unpolitische Hilfe“ schleuderte ihm eine Soli-Frau entgegen. Dann zogen die Soldaritäts-Gruppen aus dem Saal aus.

Vor dem Gebäude ärgerte sich der Medico-International-Sprecher: „Ich hätte ihnen noch sagen sollen: Es hat keinen Sinn, daß wir neue Krankenhäuser bauen, wenn sie gleichzeitig das Gesundheitssystem amutieren.“ Zu spät. Die Verständigung war schon zusammengebrochen. Tina Stadlmayer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen