piwik no script img

King Kenny geht

■ Aus heiterem Himmel schmiß Kenny Dalglish seinen Job als Manager des FC Liverpool hin PRESS-SCHLAG

Es ist wirklich selten, daß im Sportgeschäft mal was passiert, das nicht schon lange vorher in allen Gerüchteküchen kurz und klein gekocht worden wäre. Kenny Dalglishs Rücktritt ist so eine Sache. Der Manager des FC Liverpool war zwar schon immer ein etwas seltsamer Kauz gewesen, Schotte zudem, der die britischen Journalisten des öfteren mit seiner Schweigsamkeit zur Verzweiflung getrieben hatte. Wenn er mal was sagte, so sagte er am Ende doch nichts, außer: „Das ist Sache des FC Liverpool und wird intern geregelt.“

So auch bei der Pressekonferenz nach seinem Rücktritt. Der einzige Unterschied: Kenny hatte Tränen in den Augen. Der Bursche, der selbst bei der Katastrophe von Hillsborough kühl geblieben war, weinte. Und wußte keinen Grund für seinen Schritt, außer, daß ihm der Druck zu groß geworden sei. Und das bei Dalglish, dem Inbegriff des Erfolgs.

Unzählige Male Meister mit Celtic Glasgow und dem FC Liverpool in seiner Zeit als Spieler, dazu Pokalsieger, Europapokalsieger, 102 Länderspiele für Schottland, 30 Tore, seit 1985, dem Jahr, als er vom Spieler zum Spielertrainer beim erfolgreichsten englischen Club aller Zeiten aufstieg, weitere dreimal Meister (1986/88/90) und zweimal englischer Cupgewinner (1986/89). Und jetzt soll plötzlich der Druck zu groß sein?

Es gibt hierzulande keinen passenden Vergleich, um die Tragweite dieses Abgangs annähernd verständlich zu machen. Noch am Mittwoch hatte der FC Liverpool im Pokalwiederholungsspiel gegen den Lokalrivalen Everton beim 4:4 nach Verlängerung ein berauschendes Spiel geliefert und einen neuen Zahltag gesichert. Danach, so Dalglish, will er über Nacht all jene Qualitäten eingebüßt haben, die ihn zum erfolgreichsten Mann im britischen Fußball gemacht haben. Und zu einem der bestverdienenden. In einem Land, wo die Gehälter lange nicht astronomisch- italienische Ausmaße erreicht haben, sind 220.000 Pfund im Jahr ein gewaltiges Salär. Das warf Dalglish hin, einfach so, sagte: „Ich wollte nicht den falschen Eindruck erwecken, als sei bei mir persönlich alles in Ordnung.“

Bei seinem Ex-Club ist das, logischerweise, schon der Fall. Die Liverpooler waren, bis der Club am Samstag nach dem Dalglish- Schock in Luton mit 1:3 verlor, wie fast immer Tabellenführer, bei den Buchmachern sind sie, wie eigentlich immer in den letzten fünfzehn Jahren, in denen zehnmal der Titel geholt wurde, Topfavorit. Zwar beklagen einige, daß die Mannschaft wohl gewinne, aber nicht mehr, wie vor zwei Jahren, zu triumphieren pflege, doch sportliche Gründe für Dalglishs Rückzug sind eher unwahrscheinlich.

Auch daß der gerade 39jährige irgendwo anders einsteigen will, etwa bei der Nationalmannschaft der USA, wo, wie die englische Presse spekulierte, jener beklagte „Druck“ kleiner wäre, ist kaum anzunehmen.

„A departure beyond everybody's Ken“, ein Abgang, der über den Horizont des Verständnisses geht, so schaffte der 'Guardian‘ gerade noch das für seine Überschriften obligate Wortspiel. King Kenny geht — und keiner weiß warum. Unzel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen