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Wer ist wer? — Decknamen und Klarnamen von acht Leipziger Theologen

■ Der Kirchenleitungen weichen dem Problem ihrer Verstrickung in die Stasi-Strategie aus/ taz veröffentlicht die von der Stasi als IM geführten Theologen

Die Arbeit mit „Inoffiziellen Mitarbeitern“ unter kirchlichen Hauptamtlichen war für die Stasi ein heikles Kapitel. Es dürfe „keinesfalls die mühsam hergestellten Vertrauensverhältnisse zu progressiven sowie loyalen kirchlichen Amtsträgern leichtfertig auf's Spiel gesetzt“ warnt die Schulungsbroschüre für Stasi-Hochschulkader. Bei einer Anwerbungen im kirchlichen Bereich muß vorsichtig vorsichtig die „Genehmigung vom Leiter der Abteilung XX“ eingeholt werden. Mit den „Informellen Mitarbeiten“ soll Einfluß genommen werden „besonders in den kirchlichen Gremien der mittleren und unteren Ebene, in den kirchlichen Einrichtungen und Werken, unter Laien und der kirchlichen Jugend“. „Positiven Einfluß auf die kirchlichen Amtsträger“ auszuüben ist eine Aufgabe der verdeckten Stasi-Mitarbeiter. Bündnispartner des MfS sind ausdrücklich das Staatssekretariat für Kirchenfragen, das Innenministerium, als „wesentliche Partner“ sollen der Friedensrat der DDR, die CDU, und befreundete Massenorganisationen „beachtet werden“. Ziel: „In der DDR ist vor allem durch Einsatz der tschekistischen Kräfte, Mittel und Methoden die Sammlung und Zusammenführung der verschiedenenartigsten oppositionellen beziehungsweise feindlich-negativen Kräfte... zu verhindern.“ Dazu gehört „in Abstimmung mit der Abteilung XX die Aufnahme einer theologischen Ausbildung“, um in Kreisen hauptamtlicher Kirchenleute „als Gleicher unter Gleichen“ angesehen zu werden.

Die Stasi-Problematik ist ein heikles Kapitel für die Kirche, die meisten Kirchenvertreter würden am liebsten die Akten geschlossen sehen und das Thema aus der Öffentlichkeit verbannt. Jedenfalls was die Kirche betrifft. Da für Leipzig unter vorgehaltener Hand Namen genannt werden, hat das Landeskirchenamt Dresden die Gauck-Behörde um Überprüfung gegeben.

Freiwillig gestellt und offenbart hat sich keiner

Freiwillig gestellt und gesagt, was er gemacht hat, hat sich keiner. Der Assistent an der Karl-Marx-Universität, der Theologe Dr. Peter Zimmermann hat sich erklärt, nachdem Akten über ihn kursierten und „weil ich, bevor Freunde, Kollegen von mir von Gerüchten und Verdächtigungen überflutet werden, dann lieber selber sagen wollte: Ich bin's, ich habe seit Jahren mit Vertretern des Ministeriums der Statssicherheit Gespräche gehabt, also zusammengearbeitet.“ Man spürt, wie schwer das Geständnis fällt. Alle Stasi-Informanten haben ehrenwerte Motive: „Mein Motiv — ich denke wirklich — war, ein stückweit Politik mitzugestalten“, sagt Zimmermann, „die diese Gesellschaft zu einer lohnenswerten lebenswerten gemacht hat.“ Zimmermann gibt sich übers Ohr gehauen: Er habe im Nachhinein „einsehen müssen, daß wohl nichts von dem, was ich wollte, da angekommen ist, sondern daß ich eingesetzt worden bin.“ Die vorgeführte Naivität ist maßlos. Zimmermann macht immer noch glauben, er habe Politik gemacht: „Ich fühle mich schuldig, daß ich eine schlechte Politik gemacht habe und mitgemacht habe.“ Die Stasi-Akte von Zimmermann — Anwerbung 1973 — lobt ihn als „ehrlich“ und „auf Konspiration bedacht“. Er besitze eine „vorbildliche Einsatzbereitschaft“. Er war auf die Sektion Theologie der Universität und auf Kirchenkreise angesetzt. Deckname des IMB: „Karl Erb“.

„Die Dinge sind im Fluß“, mehr will der stellvertretende Dekan der Sektion Theologie an der Uni Leipzig, Petzoldt, nicht sagen. Zimmermann ist beurlaubt, die anderen Hochschulkader mit IM-Akte nicht. Der frühere Dekan der Sektion, Prof. Hans Moritz (Deckname: Martin), ist unangenehm berührt, von der taz auf das heikle Thema angesprochen zu werden. Sein Führungsoffizier lobt seine „hohe Einsatzbereitschaft“, er ist zur „Abschöpfung der Reisekader ins NSA“ zu gebrauchen und für einiges mehr. „Treffdurchführung zuverlässig.“ „Ich bin das nicht gewesen“, sagt er, „mehr möchte ich nicht sagen.“ Er möchte das Thema „lieber literarisch“ bearbeiten. Natürlich hat er als Dekan Treffen gehabt, ach was, „das sind Berührungen gewesen, Treff würde ich nicht sagen“. Haben die Berührungen auch in seiner Wohnung stattgefunden? (Das steht in der Akte.) „Auch in der Wohnung“, sagt der Theologieprofessor. Die Akte vermerkt als Datum der Werbung: 4.Dezember 1959.

Zwanzig Jahre lang „Kaderbeauftragter“ an der Sektion Theologie war Prof. Kurt Meier. Seine Position war für die Staatssicherheit besonders interessant. Der bekannte Kirchengeschichtler mit dem Fachgebiet „Drittes Reich“ wird als „IMS Werner“ geführt. Diverse Funktionen in FDJ, Deutsch-Sowjetischer Freunschaftsgesellschaft (DSF), Friedensrat, FDGB und Nationale Front belegen seine Systemtreue. „Es gelang, den IM zunehmend zur eigenen schriftlichen Berichterstattung zu erziehen“, lobt der Führungsoffizier 1987 seine Arbeit. Das war unüblich bei so ehrenwerten Berufsständen. Die Stasi wollte natürlich alles über die ideologische Ausrichtung der Studenten wissen, um damit auf die Kaderbildung der Kirche Einfluß zu nehmen. Am 19. Juli 1987 hat Prof. Meier für seine dreißigjährige treue Zusammenarbeit mit einer MfS-Urkunde und „einem Sachgeschenk ausgezeichnet“. Die Ehefrau des IM sei „seit längerem in die Zusammenarbeit mit dem MfS informiert“, die Treffs können also ohne Gefahr der Dekonspiration in der Wohnung stattfinden.

Prof. Meier räumt nur „Befragungskontakte qua Amt“ ein. Es sei schließlich darum gegangen, die „Funktionsfähigkeit der Sektion aufrecht zu erhalten“, redet er sich heraus. Vielleicht will er im nächsten Jahr etwas wie einen Lebensbericht schreiben, „über die näheren Einzelheiten kann ich jetzt keine Auskunft geben“, sagt er zur taz.

Dietmar Rostig, ordinierter Pfarrer, lehrte an der KMU. Dort ist er Leiter der Studentenabteilung, also für die Betreuung der Studenten ständig. Für die Stasi kein uninteressanter Posten. Er ist Mitglied in CFK, Nationaler Front, DSF, CDU. Bis 1985 war er im Zentralrat der FDJ. In Leipzig wundert sich niemand darüner, daß er auch bei der Stasi gewesen sein soll. Sein Deckname: „Hagen Trinks“. Seine Akte erwähnt die Kontakte in die Schweiz lobend, dort habe er unter anderem um Herausgeber des 'Evangelischen Pressedienstes‘ einen „stabilen Kontakt“ herstellen können. Angaben über Personen, beschwert sich Führungsoffizier Necker, wollte der Inoffizielle Mitarbeiter Trinks aber nicht machen, die Berichterstattung sei „zurückhaltend“. Und: „Trotz der erfolgreicher Arbeit auf inoffizieller Basis versuchte IM im Sommer 1986, die Verbindungen mit dem MfS einzustellen.“ Diese Überlegungen habe er allerdings dann „nicht mehr angesprochen“, und nach einer Unterbrechung habe es wieder „kontinuierliche Trefftätigkeit“ gegeben.

Seit ein paar Monaten ist er zu einem Forschungsaufenthalt in der Schweiz und mit anderen Dingen als der Stasi-Vergangenheit befaßt. Mit konsterniertem Schweigen reagiert er auf Nachfragen der taz zu seiner Stasi-Tätigkeit und sagt, er werde nicht mehr lange an der Leipziger Uni arbeiten. Die Akte, sein Deckname, seine Stasi-Treffs? „Dazu möchte ich nichts sagen.“ Er dementiert nicht, antwortet auf Nachfragen nicht, er schweigt betreten, legt schließlich auf.

Dr. Heinz Langer, Lehrer an der Fachhochschule für Körperkultur und Sport, war als „IM Hans Georgi“ geführt. Die Akte beweist sein distanziertes Verhältnis zur Firma. Am 9.Februar 1989 hat der der Stasi einen Brief geschrieben, daß er nicht mehr mitmachen will. Das ging also auch.

Auch mit „IM Physiker“ dokumentierte die Stasi intern ihre Unzufriedenheit. Udo Münnich vom Institut für Medizin-Technik, geworben 1982, „gilt als linksradikal“ und ist „teilweise noch berührt von der Detailkritik üblicher Art“. Als Motiv, mit der Staatssicherheit zusammenarbeiten, steht bei ihm: „Humanistische Gründe. Verhinderung von Konfrontationen im Verhältnis Staat-Kirche“.

Das Landeskirchenamt läßt fünf seiner Theologen überprüfen

Das Landeskirchenamt Dresden weiß von Gerüchten über vier Pfarrer und einem anderen Mitarbeiter. Matthias Berger (IM Carl) ist einer von ihnen. Pfarrer Wolfgang Erler war im „IM-Vorlauf“, Amos sein Deckname. Er verlies seine Gemeinde und ging in den Westen, derzeit ist er im Emsland bei der Landeskirche Hannover angestellt.

Pfarrer Peter Weiß (Deckname „Klaus“) gibt sich, auf seine IM-Akte angesprochen, „völlig verstört“. Jahrelang war er im Hauptvorstand der CDU, die nach der Flöte der SED tanzte. Natürlichen war er „Systemträger“, räumt er ein, hat öffentliche Reden gehalten, halten müssen. Und dann erzählt Pfarrer Weiß, wem er wie hat helfen wollen. „Aus Dummheit“ sei er in die CDU gegangen, allerdings schätzt er sich „nach wie vor als links orientiert“ ein und fühlt sich „nicht schuldig“. Natürlich hat er mit vielen Leuten zu tun gehabt, über deren Echtheit er nun Zweifel habe. Und er habe eine „offenherzige Art zu reden“.

Es ist ein Gemisch von glaubwürdigen Dementis und Vorbereitungen für Ausflüchte. Eine IM-Akte? „Datum der Werbung 1972“ steht darin. „Das haut mich um“, sagt Pfarrer Weiß betroffen zur taz. Das Paßfoto in der Akte? Bei der CDU habe er oft Paßfotos abgeben müssen. Daß er von der Stasi als IM geführt worden sei, höre er zum ersten Mal, versichert er mit betroffenem Ton.

Lügt er? Anruf beim Landeskirchenamt Dresden: Vor Wochen hat Pfarrer Weiß schriftlich mitgeteilt bekommen, daß er wegen der Verdachts der Stasi-Mitarbeit von der Gauck-Behörde überprüft werde.

Pfarrer Walanfried Peuker ist der vierte von der Liste des Landeskirchenamtes, „IM Prager“ sein Deckname. Datum der Anwerbung: 24.April 1975. Die Stasi-Akte dokumentiert, daß er sich weigerte: Wirksamkeit des IM in der CFK „konnte nicht erreicht werden“, das „Informationsaufkommen“ des IM „ist begrenzt“, Feindbekämpfung ist mit ihm „kaum realisierbar“. Nur wenige IMs haben von der Stasi derart ihre Störrigkeit bescheinigt bekommen.

Im Kirchendienst, allerdings nicht als Pfarrer, steht auch „IM Friedrich“, Ernst Otto Drephal. Sein Bruder war Hauptamtlicher. Er scheint überzeugter Gegner der radikaleren kirchlichen Friedensarbeit. Seine Akte vermerkt: „Distanziert sich von der Losung ,Frieden schaffen ohne Waffen' und von den extremen Aktivitäten des sozialen Friedensdienstes“, das heißt der Initiative des Pfarrkollegen Wonneberger. Immerhin stellt der Führungsoffizier fest, er habe einige „subjektiv gefärbte und idealistische Auffassungen“, kein sicherer Kantonist also, Einsatzmöglichkeiten sind nur „bedingt vorhanden“.

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