: Stasi als Fraktion in der Kirche
■ Das MfS plante die Gleichschaltung der Kirchen/ Christen Hand in Hand mit IMs
Die „Abteilung XX/4“ der Staatssicherheit hatte die Aufgabe der „Sicherung und operativen Unterstützung der politischen Arbeit der Partei in Kirchenfragen“, gleichzeitig flankierend die „operative Kontrolle des politischen Mißbrauchs der Kirchen“. Dabei soll, wie im Mai 1984 der Stasi-Hauptmann Dr. Erhardt für die Hochschulausbildung der Stasi-Kader in einer „vertraulichen Verschlußsache VVS-0001“ formulierte, „sorgfältig jede Verletzung der Gefühle der Gläubigen zu vermeiden“ sein. Es war „unter allen Umständen zu verhindern, daß die Realisierung politisch-operativer Maßnahmen als ,Kirchenkampf' interpretiert werden kann“. Die „Inoffiziellen Mitarbeiter“ (IM) sollen als staatstreue Christen in der Kirche arbeiten und sich nur dabei zusätzlich der Geheimdienstmethoden des MfS bedienen — das heißt sich benutzen lassen. IM „sollten aus ihrer ehrlichen, christlichen Überzeugung heraus bereit sein, zur Verhinderung des Mißbrauchs der Kirchen durch feindlich-negative Kräfte beizutragen und in der bisherigen Zusammenarbeit mit dem MfS ihre Zuverlässigkeit bewiesen haben.“
Stasi lobt „realistischen“ Bischof und will Pfarrer F. versetzt wissen
Im Kampf gegen die „politische Untergrundtätigkeit“ (PUT) innerhalb der Kirche und gegen die Versuche staatsunabhängiger politischer Artikulation, etwa als Friedensbewegung, wird der Staatssicherheit sogar der fromme Kirchenmann sympatisch. Das „religiöse Moment in der offenen Jugendarbeit“ sei „verhältnismäßig gering“, klagt der Stasi-Hochschulausbilder. Konservative Pfarrer, die aus demselben Grunde dieser offenen Jugendarbeit ablehnend gegenüberstehen, werden zu kirchenpolitischen Bündnispartnern.
Für die drei Stasi-Bezirke wurden diese Aufgaben 1984 für die evangelisch-lutherische Kirche Sachsens konkretisiert und einen Plan „für den Zeitraum 1986 bis 1990“ aufgestellt: „Es sind IM in das Landeskirchenamt einzuschleusen“, „durch geeignete operative Maßnahmen ist Landesbischof Dr. Hempel in seiner politisch-realistischen Haltung weiter zu stärken und Präsident Domsch's Einfluß zurückzudrängen“. Die „inoffizielle Basis in der 1984 neugewählten Synode ...entspricht nicht den operativen Erfordernissen“. Gleichzeitig sei „durch zielgerichtete operative Arbeit der Einfluß negativer Synodalen entscheidend zurückzudrängen. Das betrifft insbesondere die Synodalen Adolph, Frenzel (Dresden), Führer, Steinbach (Leipzig), Pilz, Albani, Weigel (Karl-Marx-Stadt).“ In der Stasi- Planung für das Jahr 1989 steht sogar die Versetzung des Pfarrers Führer als Ziel der Operationen: „Forcierung der innerkirchlichen Auseinandersetzungen mit F. und der Unterstützung von Ansatzpunkten einer Versetzung des Verdächtigen innerhalb der Landeskirche“.
Ihr Auge wirft die Stasi auch auf die Ausbildungsstätten. Der Sektionsleiter der Karl-Marx-Uni, Prof. Moritz, sein Kaderbeauftragter Prof. Meier und der Leiter der Studienabteilung, Dietmar Rostig, sind als IM in der Kartei der Stasi geführt. Die Staatssicherheit plant im Voraus: „Aufgrund altersbedingter Kaderveränderungen in den Leitungsfunktionen der KMU“, steht im Jahresplan der Stasi für 1989, „ist zu dem Nachfolgekandidaten für eine Schlüsselfunktion Prof. Dr. W. eine operative Personenkontrolle durchzuführen und mit der Prüfung seiner Eignung für eine inoffizielle Nutzung zu verbinden“. Professor Wartenberg lehnte es ab, sich als IM anwerben zu lassen, auch das ging.
Wie eine Hilfsorganisation der Staatssicherheit wird die „Bruderschaft Sachsens“ eingeplant: „In Abstimmung zwischen den Bezirksverwaltungen Dresden und Karl-Marx-Stadt (der Stasi) ist die konzeptionelle Entwicklung der kirchlichen Bruderschaft Sachsens durch geeignete Maßnahmen vorzubereiten. Termin: Oktober jährlich.“ Mit der Bruderschaft sollen „operative Zielsetzungen“ wie „Einflußnahme auf bedeutsame Kaderentscheidungen“ erleichtert werden. Genauso die „Christliche Friedenskonferenz“ (CFK). Ihre Basisgemeinden sind „in ihrem politisch-positivem Handeln gegen negativ-feindliche Kräfte der Kirche zu unterstützen. Politisch-operative Maßnahmen in dieser Richtung sind mit der Hauptabt. XX/4 abzustimmen.“
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