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In Thailand übernimmt das Militär die Macht

Premierminister Chatichai und weitere Kabinettsmitglieder in Armeehaft/ Militärs werfen Regierung Korruption und Machtmißbrauch vor/ Vor dem Putsch andauernder Konflikt zwischen Ex- General Chatichai und Militärhierarchie  ■ Aus Bangkok Tom Trekker

In Thailand hat das Militär in einem unblutigen Putsch am Samstag die Macht übernommen. Die Junta mit dem Namen „Kommando zur Erhaltung des nationalen Friedens“ setzte die Regierung ab, löste das Parlament auf, schaffte die Verfassung ab und verhängte das Kriegsrecht mit Pressezensur und Demonstrationsverbot über das südostasiatische Königreich.

Der Umsturz sei zum Schutz der konstitutionellen Monarchie nötig gewesen, erklärten die Militärs. Premierminister Chatichai und andere Kabinettsmitglieder wurden unter dem Vorwurf der Korruption und des Amtsmißbrauchs in Armeehaft genommen. Der 17. Militärputsch in der knapp 60jährigen demokratischen Geschichte Thailands wurde von der Bevölkerung mit Gelassenheit aufgenommen. Der Alltag in den Straßen der Hauptstadt Bangkok wurde am Wochenende durch die fast nur im Regierungsviertel aufmarschierten Truppen nicht beeinflußt. Westliche Botschaften in Bangkok gaben die beruhigende Parole aus, daß Ausländer durch den Putsch nicht gefährdet seien.

Der ausgeklügelte Umsturzplan des Militärkommandos, dem die Befehlshaber aller Waffengattungen und der Polizei angehören, ging am Samstag vormittag nahezu vollkommen auf. Während Truppen Regierungs- und Parlamentsgebäude umstellten, wurde Premierminister Chatichai vor dem Abflug zu einer Visite beim in der nördlichen Provinzhauptstadt Chiang Mai weilenden König Bhumipol festgesetzt. Nachdem Soldaten Radio- und Fernsehsender besetzt hatten, war der Ausfall der Mittagsnachrichten von Radio Thailand das erste Zeichen für den Umsturz. Nach und nach wurde auch auf anderen Kanälen das Programm durch Marschmusik und die Nationalhymne ersetzt. Putschistenführer und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Sunthorn, informierte dann am frühen Samstag nachmittag die Öffentlichkeit über den Umsturz, der auf keinerlei Widerstand stieß.

Schon in der Nacht zum Sonntag flogen die erfolgreichen Putschisten nach Chiang Mai zu einer Audienz bei König Bhumipol. Gleichzeitig machten Bürger Bangkoks dem Militär mit Blumenbouquets ihre Aufwartung. Sonntag mittag um 12.15 Uhr wechselte dann das inzwischen wieder zu Kung-Fu-Filmen zurückgekehrte Fernsehprogramm: Alle Kanäle wurden gleichgeschaltet auf eine Pressekonferenz mit den Militärs. Eine halbe Stunde lang erklärten die Generäle die Umstände und Gründe des Umsturzes.

Politische Beobachter in Bangkok werteten den Putsch als einen „Rückfall in alte Zeiten“. Nach dem durch das Militär erzwungenen Übergang von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie im Jahre 1932 war bei Umstürzen, von denen acht erfolgreich waren, mehrfach die jeweilige Verfassung abgeschafft worden. Zuletzt scheiterte ein Putsch am 5. September 1985. Nach fünf Jahren ohne gewaltsamen Machtwechsel kam dieser jüngste Umsturz für viele Beobachter überraschend. Der Staatsstreich werfe das Königreich, das sich außenpolitisch mit der Vermittlung im Kamputchea-Konflikt und wirtschaftlich durch den Aufstieg vom Entwicklungs- zum Schwellenland auszeichnet, politisch um ein Jahrzehnt zurück, erklärten ausländische Kommentatoren.

Hintergrund für den neuerlichen Militärputsch in Thailand sind seit Wochen zunehmende Differenzen zwischen der Regierung des früheren Armeegenerals Chatichai, der 1988 als erster demokratisch gewählter Regierungschef seit 1976 an die Macht gekommen war, und den Streitkräften. Großen Unmut hatte im Militär die Ernennung des umstrittenen Ex-Oberkommandierenden Generals Arthit zum stellvertretenden Verteidigungsminister hervorgerufen.

So begründete die neue Junta ihren Umsturz neben den Vorwürfen der Korruption und Vetternwirtschaft damit, daß Chatichais Regierung „erfolglos versuchte, die Einheit und Solidarität der Streitkräfte zu zerstören“. Deshalb „hat das Militär die Geduld verloren“, heißt es in der Erklärung Sunthorns vom Samstag weiter.

Aktueller Anlaß für den Putsch dürften nach Ansicht politischer Beobachter in Bangkok aber erst vor wenigen Wochen bekanntgewordene Untersuchungen zu einem fehlgeschlagenen Attentatskomplott von 1982 sein. Nach Angaben der alten Regierung sollten damals zwei hochrangige Politiker erschossen werden. Die neue Junta führt allerdings an, daß sich die Mordpläne auch gegen die königliche Familie gerichtet hätten.

In einer Stellungnahme vom Samstag forderte das US-Außenministerium die Militärs auf, umgehend wieder demokratische Verhältnisse herzustellen, und gab die Streichung von Unterstützung in Höhe von 16,4 Mio. Dollar bekannt.

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