: Steuererhöhung kostet Wachstum
■ Lambsdorff für „drastische Erhöhung“ der Mineralölsteuer/ Union und FDP wollen heute gemeinsames Koalitionspapier ihren Fraktionen unterbreiten/ SPD spricht von „Abkassiermodell“
Berin (ap/taz) — Die in der Bonner Regierungskoalition diskutierten Steuererhöhungen werden die Bundesrepublik nach Einschätzung des FDP-Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff in diesem Jahr rund ein Prozent wirtschaftliches Wachstum kosten. Lambsdorff sagte gestern in Berlin, wenige Stunden vor einem Bonner Koalitionsgespräch über dieses Thema, die FDP werde sich gleichwohl notwendigen Entscheidungen über Steuererhöhungen nicht entziehen. Sie wolle aber genau wissen, wofür Geld gebraucht werde.
Lambsdorff bezeichnete eine „drastische Mineralöl-Steuererhöhung“ als nötig. Zu diskutieren sei außerdem eine Erhöhung von Lohn-, Einkommens- und Körperschaftssteuer als Ergänzungsabgabe. Diese müsse zeitlich befristet sein, wofür Kanzler Kohl einen Zeitraum von zwölf Monaten vorgeschlagen habe. Es seien aber auch 18 Monate vorstellbar. Zur Höhe der Abgabe sagte er: „Bisher ist immer nur von fünf Prozent gesprochen worden“, was in einem Jahr 12,5 Milliarden mehr Einnahmen bedeuten würde. Lambsdorff lehnte eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab.
Die Spitze der CDU strebt einhellig einen zeitlich befristeten Zuschlag zur Einkommens-, Lohn- und Körperschaftssteuer zusätzlich zur Erhöhung der Mineralöl- und Versicherungssteuer an. Generalsekretär Rühe sagte, dies habe der CDU-Bundesvorstand am Wochenende in seiner Klausurtagung einhellig unterstützt. Entscheidungen sollten in einem Koalitionsgespräch am gestrigen Abend in Bonn gefaßt werden. Sie sollen heute den Fraktionen von FDP und Union vorgelegt werden.
Die SPD hat die geplante Anhebung der Mineralölsteuer um 25Pfennige pro Liter als „Abkassiermodell“ kritisiert. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Matthäus-Maier listete Vorschläge ihrer Partei zur Finanzierung des Aufbaus in den neuen Ländern im Volumen von 36 Milliarden Mark auf. Unter anderem forderte sie darin den Verzicht auf die Abschaffung der Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer, Kürzungen im Verteidigungshaushalt, eine Ergänzungsabgabe für Höherverdienende, eine allgemeine Arbeitsmarktabgabe sowie weitere Sparmaßnahmen.
Eine zusätzliche Erhöhung der Mineralölsteuer komme für die SPD nur in Betracht, wenn sie mit einer allgemeinen Entfernungspauschale, einer zusätzlichen Fernpendlerpauschale sowie einer Verbesserung des Grundfreibetrags auf das Existenzminimum verbunden werde, sagte die SPD-Finanzexpertin. Die Bundesregierung wolle bei den kleinen Leuten abkassieren, um die geplanten Steuergeschenke für Spitzenverdiener zu finanzieren.
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