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Oberflächenkratzer

■ Schostakowitschs Fünfte Sinfonie in Wilhelmshaven

Gerne würde ich jetzt über das ganze Sinfoniekonzert berichten, das am vergangenen Montagabend in der Wilhelmshavener Stadthalle stattfand. Das NDR- Sinfonieorchester Hamburg spielte dort Beethovens Leonoren-Ouvertüre, sein zweites Klavierkonzert (mit Dmitri Alexeiev) und die bedeutende fünfte Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch. Ausgerechnet auf der Hinfahrt blieb jedoch das Auto mit einer Panne liegen. So kann ich nur über die zweite Hälfte des Konzerts berichten.

Die Fünfte ist sicher eine der bedeutendsten Sinfonien Schostakowitschs. Sie entstand als „praktische Antwort eines sowjetischen Künstlers auf gerechte Kritik“ — so der ursprüngliche Untertitel — der Partei-Bonzen, die dem Komponisten Formalismus und Künstelei vorwarfen. Doch die Anpassung an die Forderungen der Partei ist nur eine scheinbare. Die Sinfonie malt das tiefe Leid des Komponisten unter der Doktrin (langsamer Satz), vergebliches Aufbegehren (erster Satz) und ironische Kritik am Akademikertum (Scherzo) in Tönen. Im Finale rechnet Schostakowitsch schließlich mit den Oberen ab.

Der russische Jung-Stardirigent Mariss Jansons bot eine Schostakowitsch-Interpretation, die hörbar nur an der Oberfläche kratzte. Zwar spielte das Hamburger Spitzenorchester auf gewohnt hohem Niveau und folgte dem virtuosen Dirigat, doch nur wenige Momente gingen spürbar unter die Haut. Vieles wurde lieblos überspielt, etwa die wichtigen Kontrabaßakzente im Höhepunkt des langsamen Satzes, die nicht „sforzatississimo“ gespielt, allenfalls angedeutet wurden (sechs Bässe sind auch zuwenig!). Jansons Tempi gingen weit an den sehr detaillierten Metronomvorschriften des Komponisten vorbei. So geriet das Scherzo um ein gut Drittel zu schnell, und die subtilen Temposteigerungen im Finale, die quasi wie „Nachbrenner“ in der Beschleunigung wirken sollen, waren nicht möglich: Das Tempo war nach dem breiten Anfang plötzlich einfach zu schnell dafür. Die dumpfe Akustik verpackte das Werk zusätzlich in Watte und in Mull.

Nach diesem (halben) Konzert war es für mich unverständlich, daß ein Dirigent, der eine so oberflächliche, überdies dirigiertechnisch keineswegs immer überzeugende Aufführung lieferte, im Renommiermusikbetrieb derzeit so hoch gehandelt wird. Gunnar Cohrs

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