: Kaum noch Kraft und wenig Hoffnung
Die Friedensbewegung ist nach dem Scheitern der Diplomatie entmutigt und ausgepowert/ „Den Aktionismus der letzten Wochen kann man nicht über Monate aufrecht erhalten“ ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan
Fünfhundert Menschen in München, vierhundert in Berlin, ein paar hundert in Frankfurt... Mehr friedensbewegte DemonstrantInnen gehen derzeit in den deutschen Großstädten nicht auf die Straße — obwohl die amerikanische Bodenoffensive gegen den Irak im Gange ist, obwohl die USA ihre wahren Kriegsziele nun nicht einmal mehr verbergen, obwohl nun Kritiker der Friedensbewegung verstummen müßten... Trotz alledem? Wegen alledem.
„Die Leute sind enttäuscht, sind bitter, sind resigniert. Sie sagen sich, wenn nicht einmal Gorbatschow mit seinen Initiativen erfolgreich ist, was sollen wir dann mit unseren Protestaktionen.“ So erklärt Manni Stänner vom Bonner Büro der Netzwerk- Friedenskooperative, weshalb die Demonstrationen gegen den Krieg am Golf derart zusammengeschrumpft sind. Zwar seien alle AktivistInnen heute nicht weniger erschreckt und empört als am 17. Januar, dem Tag, an dem der Krieg ausbrach. Sehr viele jedoch hätten kaum noch Kraft und wenig Hoffnung. „Immer wieder begegnest du dem Gefühl, auf uns achtet eh keiner, was wir machen, ist allen egal.“
Warum dies so ist, dafür sehen die Organisatoren der Friedensbewegung mehrere Gründe. Zunächst einmal, so Manni Stänner, sei ein großer Teil der Protestbewegung „einfach total ausgepowert“. Jene Menschen, die seit Wochen demonstrieren, Mahnwachen abhalten, andere Aktionen organisieren und besuchen, könnten einfach nicht mehr so weitermachen: „Weil es sie vollkommen aus ihrem Berufs- und Privatleben ausklinkt, weil sie außerdem einfach müde sind.“ Thomas Schmidt von der „Initiative Kirche von unten“ macht ferner noch eine weitere Ursache dafür aus, daß selbst der gerade zurückliegende Beginn der Bodenoffensive nur so wenige Menschen auf die Straßen getrieben hat. Jene, die solche Demonstrationen sonst organisieren, hatten sich am vergangenen Samstag in Bonn getroffen. Den ganzen Tag über hatte es eher so ausgesehen, als würde das irakische Einlenken den Bodenkrieg verhindern. Bis sich, tief in der Nacht zum Sonntag, herausstellte, daß dem nicht so sein würde, „wußten wir einfach nicht, was jetzt konkret zu machen ist.“ Den ganzen Samstag über habe man weitere Aktionen sehr stark unter dem Eindruck geplant, in ein paar Tagen sei der Krieg zu Ende.
Diese Unsicherheit hält an. Und, so Manni Stänner, „den Aktionismus der letzten Wochen kann man nicht über Monate aufrechterhalten“. Darum fordert etwa Thomas Schmidt, gerade jetzt müßten sich Proteste gegen den Krieg „verstetigen“ — sprich im persönlichen Alltag eines jeden einzelnen Kriegsgegners eine größere Rolle bekommen: indem er seine Lebens- und Konsumgewohnheiten daraufhin überprüft und ändert, sich an einer Unterschriftenkampagne für Waffenstillstand und Rüstungsexportverbot beteiligt, den Kriegsdienst verweigert...
All dies ist nach Ansicht der Organisatoren der Friedensbewegung nun, nach dem Beginn der Bodenoffensive, noch dringlicher als schon zuvor. Spätestens seit Samstag sei nämlich, so das Bonner Netzwerk Friedenskooperative, klar, daß den Alliierten an einer diplomatischen Lösung nicht gelegen sei. Offensichtlich solle das irakische Volk für ein abschreckendes Exempel herhalten, „das in Zukunft jedem Aufbegehren gegen die westlichen Interessen auch in diesem Teil der Welt als warnendes Beispiel dienen soll.“
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