: „Ich stecke die Pfeile weg“
■ Performance-Künstlerin Natascha Fiala über ihren Auftritt im KITO-Vegesack
taz: Ihre aggressive Performance hat in Bremen für Aufsehen gesorgt.
Natascha Fiala: Ich kann mich nicht darstellen, wie ich über die Wiesen hüpfe, das wäre wahnsinnig naiv. So ist das Leben eben nicht, auch nicht mein Leben. Was erwartet man von mir? Daß ich male wie im letzten Jahrhundert?
Warum lassen Sie sich verletzen?
Werden Sie nie verletzt? Können Sie sich das aussuchen?
Sie inszenieren diese Situation. Hat das nicht doch was mit Masochismus zu tun?
(Leicht genervt) Jaja! Ich bin geil darauf, ich warte nur darauf, daß ich verletzt werde, daß jeder ganz genau weiß, was für Neigungen ich im Bett habe. So kann man es auch sehen und so wird es auch oft gesehen. Hauptsache, das nicht an sich herankommen lassen und nicht darüber nachdenken, inwieweit das vielleicht richtig ist und wo man sich wiedererkennt.
Können Sie das nicht rüberbringen, indem Sie etwas schonender mit ihrer eigenen Haut umgehen?
Ich kann mich weiterhin belügen. Ich kann so tun, als ob ich Kunst mache und hätte was zu sagen und dann mich in eine Ecke drehen: das kann ich auch. Aber das muß ich nicht, weil: das ist ja mein Lebensinhalt. Das ist ja der Sinn meines Lebens und ich hab keine Lust auf Halbheiten. Es gibt tausende von Künstlern, die so etwas schon mal gemacht haben, sich selbst verletzt haben, bis zum Selbstmord gegangen sind. Das ist eben eine Art von Kunst, völlig legal alles. Und was ist daran so fürchterlich? Ich bin an demselben Abend noch nach Haus gefahren, ich hab meinen Job gemacht, in der Kneipe gearbeitet. Ich bin nicht zum Arzt gegangen. Ich lebe, mir geht es gut. Ich hatte das Gefühl, ich hab Leute angesprochen, die denken darüber nach. Und dann bin ich zufrieden. Ich mach's ja nicht jeden Tag. Einmal im Jahr reicht! (lacht)
Ist das für Sie auch eine Frage von Wahrheit und Konsequenz?
Ja. Und Kampf. Was ich mir und den anderen vor allem immer wieder beweisen will: du kannst mir zwar zwanzigtausendmal ins Gesicht sprucken, aber ich stehe immer wieder auf! Und ich glaube, das spricht für ganz, ganz viele Frauen, die sehr, sehr viel ertragen. Und da begreif ich auch nicht, wenn es dann mal öffentlich gemacht wird, daß man sich da so in die Hose pißt. Ich kann mich in dem Moment so abturnen, daß ich keine Schmerzen habe oder nur minimal. Das ist ok. Danach, wenn das am Abklingen ist, das ist dann eine schlimme Nacht.
Und das nehmen Sie in Kauf?
Ja, das nehme ich in Kauf. Mein Gott, wie oft liege ich nachts wach im Bett, weil ich irgendwelche Probleme habe, weil mir Leute wehgetan haben. Ich glaube, daß es der Mehrheit auch so geht, vor allem den Frauen. Daß sie ganz viel schlucken müssen, ertragen, wegstecken, wirklich wegstecken. Nichts anderes habe ich da gemacht, als die Pfeile wegzustecken. Na und? Dazu gehört auch: dieser Raum, die Musik, wie ich mich bewege, wie ich reagiere. Da kommt ja auch was rüber. Sie können dann auch sehen, wie ich immer wieder stark bin, wie ich immer wieder aufstehe. Ich gebe Pfeile an Frauen weiter, mit einer zärtlichen Geste, mit einem sehr zärtlichen Blick. Da ist dann auch ein Augenblick von Verstehen, egal ob sie das nachher zugeben. Deswegen ist es halt eine Performance, die man eigentlich gesehen haben muß, die man nicht beschreiben kann. Was dann die Öffentlichkeit daraus macht, das ist eine andere Sache. Fragen: Annemarie Struß-v.Poellnitz
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