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„Das ist nicht das Ende des Krieges“

Der Rückzug kommt für die irakische Bevölkerung als Schock/ Erste Friedenshoffnungen hat der fortgesetzte Krieg schnell begraben/ Für die Iraker geht es nun um die Verteidigung ihrer Heimat/ Spielt Saddam jetzt seine „letzte Karte“ aus?  ■ Aus Bagdad Khalil Abied

In Bagdad ist Smog, und viele glauben, daß es der „Smoke“ aus Kuwait ist, der sich da mit dem „Fog“ des irakischen Winters mischt. Zunächst war der graue Smogschleier als gute Nachricht aufgenommen worden, als Hoffnung, daß die amerikanischen Flugzeuge ihre Ziele nicht treffen oder gar nicht erst fliegen würden. Doch statt dessen erlebte Bagdad auch gestern wieder einen Tag unaufhörlicher Bombardierungen, die auch die letzten Hoffnungen auf ein schnelles Ende des Krieges unter sich begruben.

Als Radio Bagdad die Rede Saddam Husseins übertrug, in der er den Rückzug aus Kuwait ankündigte, trauten viele Iraker ihren Ohren nicht. Bis dahin hatten die Erklärungen der Militärs, die Artikel und Kommentare in den Zeitungen und über Rundfunk das Volk auf einen langen, sich über Wochen hinziehenden Krieg vorbereitet.

Die Entscheidung zum Rückzug kam für die Bevölkerung im Irak als Schock. Hunderte von Menschen begannen nach der Rede Saddams mit ihren Pistolen und Kalaschnikoffs in die Luft zu feuern, einige tanzten vor Freude. Für sie bedeute die Rückzugserklärung das Ende des Krieges. Aber noch mehr Menschen betrachteten die Feiernden mit skeptischen Blicken. „Sie sind naiv... dumme Leute“, sagt einer. „Das ist nicht das Ende des Krieges, eine neue Runde beginnt schon. Für die Amerikaner ist nicht Kuwait das Ziel, sondern wir, unser Land, unsere Führung. Sie werden den Krieg nicht stoppen, bis sie unser Land zerstört und unsere Führung gestürzt haben.“

Nach der schroffen Zurückweisung der Bagdader Rückzugsinitiative vom 15. Februar und der Moskauer Friedensbemühungen waren sich viele Iraker sicher, daß die USA auch diesen Schritt nicht akzeptieren werden. „Die Amerikaner werden von uns einen Verzicht nach dem anderen fordern“, sagt der Gemüseverkäufer Nagi, „Gott weiß, wann sie mit ihren Forderungen aufhören werden!“ „Wir hätten diesen Schritt früher machen müssen“, sagt ein anderer, „jetzt müssen wir darüber nachdenken, wie wir unser Land retten können.“

Die Angst der Iraker, daß der Krieg gegen ihre Heimat geführt wird, wächst insbesondere, seit in Bagdad bekannt wurde, daß amerikanische und französische Truppen in irakisches Gebiet, in die Nasserya- Provinz rund 450 Kilometer südlich von Bagdad, vorgedrungen sind. Sie sollen offensichtlich die Straße nach Basra abschneiden und die irakischen Truppen im Süden isolieren. Ein Augenzeuge, der am 26. Februar Bagdad erreicht, berichtet von heftigen Kämpfen.

Auf die Vermittlungsbemühungen der UdSSR hoffen nur noch wenige. „Burkina Faso hat doch mehr Einfluß in der Welt als die Sowjetunion!“ flucht ein Iraker. „Oder glauben Sie etwa, daß die Sowjets ihre Interessen mit den USA und dem Westen für uns opfern werden?“

Die Iraker fühlen sich von der ganzen Welt betrogen und in die Enge getrieben. „Wenn die Amerikaner und ihre Verbündeten irakischen Boden bedrohen, dann gibt es für die Führung in Bagdad keine ,verbotenen Dinge‘ mehr“, sagt mir ein Gesprächspartner mit Erfahrung. „Der Irak hat in Kuwait zwar viele Soldaten und Waffen verloren, aber er besitzt noch seine ,letzte Karte‘“, womit der Mann offensichtlich den Einsatz chemischer Waffen meint. „Und wenn der Irak gezwungen ist, sie zu spielen, wird er sie spielen.“

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