piwik no script img

Kuwaitische Siegesfeier in den Straßen Kairos

„So Gott will, wird Saddam bald tot sein“/ Ägypter gespalten: Sie freuen sich mit den Kuwaitis und leiden mit den irakischen Brüdern  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Erst am frühen Mittwoch morgen klingt das Hupkonzert des Autokorsos ab, der sich die ganze Nacht im Schrittempo den „Boulevard der arabischen Liga“ im Kairoer Nobelstadtteil Mohandessin hinauf- und hinabgeschoben hat. Die in Kairo lebenden Kuwaitis feiern den Einmarsch der Alliierten nach Kuwait.

Noch scheint sich keiner so richtig Gedanken darüber zu machen, was ihn zu Hause erwartet. Er wolle noch einen Monat hier in Kairo bleiben, bis sich die Situation beruhigt hat, sagt ein junger Kuwaiti, der seine Familie im Chevy Van mit Air Condition durch die Gegend fährt. Er war zu Hause Polizeioffizier. „So Gott will, wird Saddam bald nicht mehr unter den Lebenden weilen“, sagt er und unterstreicht den Satz mit einer Handbewegung, als wolle er gleich selber Saddam den Kopf abschneiden. „Dann werden Iraker und Kuwaitis vielleicht auch wieder Freunde sein. Insch' Allah.“

Mitten im Gewühl ein paar messingbeschlagene Pferdedroschken, die gewöhnlich Touristen am Nilufer entlangkutschieren. Jetzt drängeln sich im roten Plüsch ein halbes Dutzend fähnchenschwenkender, schreiender Mädchen: „Wir kämpfen mit Waffen. Kuwait gehört uns und Jaber ist unser Emir.“ Junge Männer tanzen auf den Dächern ihrer Mercedes-Limousinen und Chevrolets, die Hand zum Victory erhoben. Wie die Palästinenserkinder in den von Israel besetzten Gebieten rufen sie: „Mit unserer Seele und unserem Blut werden wir uns opfern.“ Nur daß es bei ihnen statt „für Palästina“ „für Kuwait“ heißt.

Aber das ist auch alles, was sie mit den Palästinensern gemein haben. Am Straßenrand hat ein Zeitungsverkäufer die Abendzeitungen auf dem Boden ausgebreitet. „Massaker an Palästinensern erwartet“, heißt eine Überschrift. Es sei zu befürchten, daß die Kuwaitis sich nach ihrer Rückkehr an den noch in Kuwait lebenden Palästinensern für die pro- irakische Haltung der PLO-Führung rächen werden. Zehntausende von Palästinensern mit ägyptischen Pässen sollen aus Kuwait geflohen sein. Die ägyptischen Behörden verweigern ihnen die Einreise. Sie harren in Übergangslagern in Jordanien ihrem Schicksal.

Auch einige Ägypter haben sich — kuwaitische Fahnen schwingend — dem Korso angeschlossen. „Wir Ägypter sind glücklich, daß Kuwait endlich frei ist,“ sagt einer. Ein Taxifahrer ist eher skeptisch. Es waren die ägyptischen Truppen am Golf, die den Weg für die alliierten Panzereinheiten von Minen säubern mußten und in den vordersten Linien kämpften. „Wir Ägypter sind doch nur Kanonenfutter für die anderen“, meint er. Offiziell gibt es keien Zahlen über ägyptische Opfer am Golf.

Aber während die Kuwaitis vor den Fernsehschirmen in den Kairoer Fünf- und Vier-Sterne-Hotels das Ende des „Krieges zur Befreiung Kuwaits“, wie der Golfkrieg in Ägypten heißt, abwarteten, gab es mindestens drei Golfkriegsopfer auf den Straßen Kairos. Seit Beginn der Bodenoffensive reißen pro-irakische Demonstrationen an den ägyptischen Universitäten nicht mehr ab. Am letzten Dienstag stürmten paramilitärische Truppen, mit Schlagstöcken und Tränengas bewaffnet, den Campus der Cairo University. Auch Schüsse fielen. Mindestens drei Studenten wurden getötet, Dutzende verletzt und offiziell 19 verhaftet.

Die Reaktion der Menschen am Straßenrand auf die Demonstranten ist gespalten. Viele klatschen, und vor allem Schüler schließen sich dem Zug an. Andere schimpfen. So gespalten die Reaktion der Bevölkerung, so gespalten ist die Seele jedes einzelnen Ägypters. Wochenlang bangten viele um Verwandte, die auf allen Seiten der Front leben und arbeiten. Sie wurden von den Kuwaitis wie Bürger zweiter Klasse behandelt und auf ihrer Flucht von Irakern mißhandelt. Trotzdem freuen sie sich mit den Kuwaitis und trauern mit den Irakis. „Die Ägypter sind durcheinander“, sagt der Journalist Hazem. „Die Kuwaitis sind ihre Brüder und die Iraker sind Brüder. Sie wollen Kuwait befreien, ohne den Irak zu zerstören. Sie hatten das Gefühl, Kuwait sei nicht ohne amerikanische Unterstützung zu befreien und sie wissen genau, daß für die Amerikaner die Befreiung Kuwaits nur Vorwand zur Realisierung anderer Ziele ist.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen