Standbild: Zappelige Langsamkeit

■ "Steuergeheimnisse", Mittwoch, 27.2., ARD, 20.50 Uhr

Ja, die Kunst ist es, die zu Wahrheit und Leben befreit. Sie macht aus einem Nickmännchen, das seinen Vorgesetzten ständig mit „Ja, Herr Pothoff, jawohl, Herr Pothoff!“ bedienert, einen selbstbestimmten Menschen. Und zwar geschwind.

Eben noch ist der Finanzbeamte Anton Bodensick gewaltig Amok gelaufen, wie das halt treue Staatsdiener zu tun pflegen: Mit wehenden Rockschößen durch die Behördenkorridore und 'rein in die nächste Kneipe — weil ihm seine Karriere durch einen jüngeren Politgünstling geknickt wurde —, da deckt er auch schon häßliche Machenschaften seines Chefs auf; da bearbeitet er, zwischen zwei Filmeinstellungen (!), dessen Finanzbetrug zu einem Theaterstück; und da spielt er dieses obendrein noch eigenhändig mit einer Puppenspieltruppe, Abteilung Off, Berlin-Kreuzberg. Befreiung im Schweinsgalopp.

Wenn die Menschwerdung trotzdem mit einer zappeligen Langsamkeit vonstatten geht, liegt das nicht an Felix von Manteuffel, der aus der Rolle des entgleisten Bodensick herausholt, was er nur kann, sondern eher an dem Zuviel an bitter-bunter Wirklichkeitskulisse, in die ihn der Film stopft: Da sind die Altjuppie- Galeristin; die unsympathischen Chefs ersten und zweiten Grades; das Büromädel mit der Heim- und Herdsehnsucht; der ewig Wurststullen mampfende Schreibtischkollege; der durchgeknallte dichtende Bürobote akademischer Herkunft; der alte Herr Kafka auf vergeblicher Suche nach einem zuständigen Sachbearbeiter; das mordengagierte Theaterkollektiv und, fürs Tragische, noch ein sterbender Vater und eine traumatische Kindheit als Brühwürfelextrakt. Sie alle müssen ganz schnell ganz furchtbar echt wirken und produzieren prompt nur falsche Töne — bis auf den Vater: Der röchelt bloß.

Und wenn man schon auf einen Sinn hinaus wollte — und allein die, ach so, hochaktuelle Plazierung des Films legte das nahe: Erst die Steuer- Tagesschau, dann der Steuer-Brennpunkt mit den Regierungsstatements nachplappernden Wolf und Lueg (das Wortspiel schenke ich mir), schließlich die Steuergeheimnisse —, dann doch lieber die durchaus pathetische Wahrheit vom menschlichen Leben, das am ferngelenkten Faden zappelt. Denn daß das Finanzamt die Armen um der Reichen willen betrügt, das wissen wir doch wirklich.

Kurzum: Wenn schon Kleist mit seinem Marionettentheater zitiert wird, hätte seine ruhige Beherzigung gelingen lassen können, was hier mißlang: „...so findet sich auch, wenn die Erkenntnis gleichsam durch ein Unendliches gegangen ist, die Grazie wieder ein.“

Und so waren es die schönsten Momente des Films, wenn die Großen mal den Mund hielten und die kleinen Marionetten des Berliner „Kleckstheaters“ ihr Leben am Faden zelebrierten. Das bemühte Filmleben drumherum, jene Digitalkopie, war nichts als toter Büropapierkorb. Peter Blie