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Mir reicht das Bild eines toten Menschen-betr.: Der Golfkrieg - ein Generationsproblem

betr.: Der Golfkrieg —

ein Generationsproblem

Unabhängig von dem Personen- und Parteiengerangel um Bündnisfall, Friedensinitiativen und Rüstungsexporte, das wohl auch schlimmer hätte sein können, spielt sich in diesen Tagen ein Schauspiel ganz anderer Natur ab: Vom 'Spiegel‘ bis in die taz, vom Biermann bis an den Grass lodert das Feuer intellektuellen Streits, oder besser Intellektuellenstreits, um Krieg und Frieden. Selbsternannte Friedensbefürworter führen einen etwas gehobeneren Briefwechsel — via Massenmedium Zeitung. Nebenbei bemerkt — Männer. Von einer Frau habe ich in dem Zusammenhang noch nichts gelesen.

Sie gehen natürlich alle davon aus, daß Frieden sein muß, und zwar bald, alle sind sich heilig-einig, daß die deutschen Rüstungsexporteure am bestem mit dem Kopf nach unten aufgehängt werden sollen. Und dennoch sind sich alle weder grün noch grau. Der eine meint so viel erlebt zu haben, daß es gar nicht anders geht, als weiterzubomben, und deshalb für den Krieg sein zu müssen (auch wenn er dabei offensichtlich nicht wahrhaben will, daß dann noch mehr Menschen dieser Erde die Erfahrung einer Verbombung machen müssen). Andere meinen, die Regierung zum Abtreten bewegen zu müssen oder wieder andere, ihre geschichtlich- sozialwissenschaftlichen Kenntnisse dafür verschwenden zu müssen, endgültig herauszufinden, ob Saddam Hussein nun ein neuer Hitler ist oder nicht.

Und ich stehe mittendrin, sehe zu, wie hier und dort die Menschen dieser in etwa gleichen Generation —der im und direkt nach dem Krieg Geborenen — langsam, ganz langsam diesen Ausführungen zustimmen, überhaupt nicht kriegseuphorisch und sicher mit Widerwillen, weil sie doch diesen Krieg nicht wollen, aber bestochen von der Argumentation ihrer Generation.

Ich stehe aber genauso in meiner Generation derjenigen, die Jahrzehnte nach dem Krieg geboren sind. Und sehe, wie sich um mich herum Jugendliche aufmachen zu Mahnwachen, Friedensdemos und Gebeten, nicht danach fragend, wie es denn welcher Historiker sehen würde, sondern danach, ob Menschen weiterhin sterben oder nicht. Sie lassen die Generation ihrer Eltern in punkto Friedenssehnsucht einfach hinter sich.

Die Mittelalterlichen betreiben Wahnmache, die Jugendlichen Mahnwache — ob und wie das jeweils intellektuell begründet wird, ist für mich zweitrangig. Ich brauche keine Diskussion, mir reicht das Bild eines toten Menschen — das ist für mich Argumentation genug. Sebastian Lovens, Duisburg

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