: Überraschender Wahlausgang in Bangladesch
Sieg der „Bangladesh Nationalist Party“ unter Begum Khaleda Zia/ Die neue Premierministerin fügt sich ein in die Reihe der starken Frauen Asiens/ Achtungserfolg für den gestürzten Präsidenten Erschad — er siegte in fünf Wahlkreisen gleichzeitig ■ Aus Dhaka Bernard Imhasly
Bei den Parlamentswahlen im 100-Millionen-Einwohner-Staat Bangladesch hat die „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) von Begum Khaleda Zia überraschend deutlich gesiegt. Sie erzielte 134 Mandate, bei einer Sitzzahl des Parlaments von insgesamt 300, von denen 297 zur Wahl standen. Ihre Rivalin, die „Awami League“, unter Führung von Sheikh Hasina Wajed, war in 84 Wahlkreisen erfolgreich. Im Wahlkampf war die Awami-Liga, der eine bessere Organisation im schlecht erschlossenen ländlichen Gebiet nachgesagt wurde, leicht favorisiert; die BNP dagegen hatte den Ruf einer Partei der städtischen Mittelschicht, ohne Verwurzelung in den Dörfern. Eine weitere Überraschung bildete das gute Abschneiden des ehemaligen Präsidenten Erschad, der seit seinem Sturz im Dezember 1990 unter Hausarrest steht und dessen „Jatiya Party“ von den Medien beinahe totgeschwiegen wurde. Sie erreichte 35 Mandate, während Erschad in allen fünf Wahlkreisen, in denen er sich aufstellen ließ, den Sieg davontrug. Dies mag ein Hinweis darauf sein, daß er trotz der schweren Korruptionsvorwürfe noch auf dem Land populär ist und daß sein Sturz nicht das Ergebnis eines landesweiten Aufstandes war, sondern eher der Agitation der politischen Elite in den großen Städten Dhaka und Chittagong zu verdanken ist.
Diese Agitation war von der BNP und der Awami-Liga gemeinsam getragen worden, und ihre Themen — Korruption, Untergrabung der Institutionen — bildeten den Kern ihrer Wahlmanifeste und -reden. Sobald Erschad aber einmal zum Schweigen gebracht war — und nun wohl auch vor Gericht gestellt wird — wurde die alte Rivalität zwischen BNP- Führerin Khaleda und Awami-Chefin Hasina immer mehr zum beherrschenden Thema, um so mehr als beide einen bedeutenden Teil der kurzen Geschichte des seit 1973 existierenden Landes verkörpern: Sheikh Hasina Wajed als Tochter des Staatsgründers Mujib Ur-Rahman, Begum Khaleda Zia als Witwe seines Nachfolgers Zia Ur-Rahman.
Ein Großteil der Frauen, die zum ersten Mal in großer Zahl an Wahlen teilnahmen, haben wohl Khaleda ihre Stimme gegeben, die nun Premierministerin werden wird. Beobachter vermuten, daß Hasina einen taktischen Fehler beging, als sie im Wahlkampf immer wieder Khaledas Vater Zia Ur-Rahman angriff. Für sie trägt der General, der nach der Ermordung Mujibs Präsident Bangladeschs wurde, die moralische Verantwortung für den Tod ihres Vaters. Für viele Bengalen war Zia jedoch der einzige Präsident, der bis zu seinem gewaltsamen Tod vor neun Jahren dem Land eine nichtkorrupte Führung gab.
Khaleda Zia fügt sich mit ihrem Wahlsieg in die Reihe von asiatischen Frauen ein — Indira Gandhi, Sirimavo Bandanaraike, Corazon Aquino und Benazir Bhutto — die nach dem Tod ihres Vaters oder Gatten dessen politisches Erbe übernehmen. In ihren Reden machte sie die Regierungszeit Zias zum Vorbild für die Führung Bangladeschs, und in keinem Wahlplakat erschien sie ohne ihren Gatten im Hintergrund. Während Hasina Wajed bereits als Studentin hauptberuflich Politik betrieb, war Khaleda eine Hausfrau, die öffentliche Auftritte mied, wie dies Zias muslimischem Lebensstil entsprach. Erst der Aufstieg Erschads innerhalb der BNP bewog sie zum Eintritt in die politische Arena. Sie begegnete ihm immer mit totaler Opposition. Es ist zu erwarten, daß Khaledas Gegnerschaft zu Erschad in ihren ersten Amtshandlungen zum Ausdruck kommen und der Prozeß gegen den gestürzten Präsidenten zügig vorangetrieben wird. Dies ist um so dringlicher, als gemäß Verfassung bis zum 6. Juni ein neuer Präsident gewählt werden muß. Erschad hat angekündigt, daß er zu kandidieren beabsichtigt — falls er bis dann nicht rechtskräftig verurteilt ist. In den Augen Khaledas benötigt Bangladesch eine starke Führung, und daher wird sie wahrscheinlich ebenfalls kandidieren.
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