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Weiter Weg zum zivilen Oldenburg

■ Oldenburger Gewerkschaften thematisieren wieder Konversion

„Mahnminuten, Schweigeandachten, Aufrufe, ist das nicht zu wenig, wenn die Betriebe zum Krieg rüsten?“ Diesen eindringlichen Fragen mußten sich auch die Oldenburger Gewerkschafter immer wieder stellen, obwohl im Oldenburger Raum kaum rüstungsrelevante Betriebe angesiedelt sind. Seit dem 22. Januar kursiert das „Oldenburger Signal“ in den Etagen der Gewerkschaften. Mit diesem Aufruf zum Generalstreik bei Kriegseintritt wollten Oldenburger Friedensgruppen eindeutige Positionen der Gewerkschaften und kontroverse Diskussionen in den Betrieben anstoßen. Doch das Signal blieb in den Funktionärsetagen hängen, die Weichen in den Betrieben sind noch nicht für weitreichende Themem gestellt.

„Für uns stellt sich das Problem: auf welchem Gleis bekommen wir bestimmte Fragen in die Betriebe –rein?“ erklärt Bernd Bischoff, Vorsitzender der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben im DGB-Kreisverband Oldenburg. „Um zu diskutieren, brauchen die Leute erst einmal Informationen. „In einigen Betrieben wird „Die Kehrseite“ verteilt, eine Oldenburger Gegenzeitung zum Golfkrieg. Der DGB selbst hatte am 19. Januar eine Informationsmappe zum Golfkrieg herausgegeben, die in den Betrieben auf große Resonanz stieß.

Viel gewerkschaftliche Kleinarbeit statt großartiger Postulate kennzeichnet die Aktivität der Oldenburger ÖTV. In dem industriearmen DGB-Kreisverband an der Hunte ist die ÖTV die größte Einzelgewerkschaft. „Ausgehend vom Landeskrankenhaus Wehnen formulierte das Pflegepersonal seine Ablehnung des Golfkrieges aus humanitären Gründen“, versucht Klaus Schukowsky, Gewerkschaftssekretär, die Position der ÖTV zu umschreiben. „Es hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit Katastrophenschutzplänen beschäftigt und uns ist klar: Nach den Prinzipien der Kriegsmedizin werden wir nicht arbeiten. Das wäre gegen die ethischen Prinzipien der Krankenversorgung.“ Ausstellungen und Informationsveranstaltungen der Opfer wurden organisiert.

Die direkte Konfrontation in den Betrieben haben die Gewerkschaften angestrebt. „Wir stehen in enger Zusammenarbeit mit Medico International und bereiten derzeit den Internationalen Frauentag zum Thema Verweigerung ziviler Dienste vor“, kündigt Schukowsky an. „Wir haben die nötige Infrastruktur geschaffen und können nun diese Basis der Gewerkschaften nutzen.“

Die Diskussion um Perspektiven der Thematik um Krieg und Frieden beschäftigt auch die Gewerkschafter. Der Weg in ein ziviles Oldenburg scheint noch weit. „Wir haben die Konversionsdiskussion wieder aufgenommen“, berichtet Bernd Bischoff. „Konkret steht die Standortumwandlung des Fliegerhorstes für zivile Nutzung an.“ Erfreut zeigt sich der Sekretär des DGB-Kreisverbandes, Achim Barchmann, vor allem über die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Oldenburger Universität. „Nicht zuletzt dem uns zur Verfügung gestellten Sachverstand verdanken wir, daß die Oldenburger Gewekschaften in diesen aktuellen Fragen bundesweit eine Vorreiterrolle haben.“ Marijke Gerwin

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