: „Diese Epidemie ist ein Höhepunkt“
■ Die weitere Ausbreitung der Cholera in Asien, Afrika und Lateinamerika kann verhindert werden/ Interview mit dem Seuchenexperten Klaus-Dieter Zastrow INTERVIEW
taz: Sind die Choleraepidemien auf den Molukken, in Sambia und in Peru Einzelfälle oder gehören sie zu einer neuen Welle dieser gefährlichen Erkrankung?
Klaus-Dieter Zastrow: Ich würde die Epidemien trennen. Man weiß bisher nicht genau, um welchen Erregertyp es sich in Peru handelt. Es gibt ja verschiedene Erreger. Aber selbst wenn der Erregertyp in allen drei Ländern der gleiche wäre, wäre ein direkter Zusammenhang eher unwahrscheinlich.
Gibt es Informationen, ob es sich in Peru um einen traditionellen Erreger handelt?
Wir wissen, daß die Cholera in Südostasien immer vorhanden ist. Die letzte bekannte Epidemie in Lateinamerika liegt dagegen dreißig Jahre zurück. Wie der Erreger dahin gekommen ist, kann niemand sagen. Wahrscheinlich ist er dorthin verschleppt worden. Zum Beispiel könnte ein gesunder Ausscheider Keime eingeschleppt haben. Der weiß dann gar nichts davon, weil er keine Beschwerden hat.
Kann es eine Verbreitung des Choleraerregers über Meeresfisch geben?
Man kann sich das gut vorstellen. Die kontaminierten Abwässer, die in Peru in den Pazifik eingeleitet werden, könnten von den Seefischen zum Teil aufgeschnappt werden. Wenn der gefangene Fisch dann nicht richtig gegart wird bei Temperaturen von mehr als 70 Grad Celsius, könnte sich der Erreger beim Essen auf den Menschen wieder übertragen.
Hilft die von der Regierung Perus angekündigte Chlorierung des Leitungswassers gegen die Epidemie?
Die Chlorierung des Wasser hilft in jedem Fall für das Wasser, das man behandelt. Wenn die Menschen dann aber Wasser aus Brunnen, Bächen oder Flüssen holen, hilft die Chlorierung des Leitungswassers diesen Menschen natürlich nicht.
Was könnten Ärzte und Gesundheitsbehörden überhaupt tun?
Erkrankte müssen eigentlich abgesondert werden, das heißt vor allem die Ausscheidungen müssen abgesondert werden. Die Crux mit dieser Epidemie ist doch, daß die hygienischen Verhältnisse so schlecht sind, daß man sie nicht in den Griff bekommt. Stellen Sie sich vor, in der Bundesrepublik wäre ein Wasserwerk mit Cholerabakterien verseucht. Es würde geschlossen und massiv desinfiziert werden. Derweil würde die Bevölkerung mit Tankwagen versorgt. Nach 48 Stunden wäre der Spuk vorbei. Die Ausscheidungen dürfen einfach nicht ins Trinkwasser gelangen.
Ist die Behandlung von Cholerakranken kostspielig?
Nein, die Behandlung ist einfach. Die Kranken verlieren unheimlich viel Wasser und Elektrolyt [Salz]. Das muß man ihnen in Mengen verabreichen. Dazu vielleicht noch ein normales Antibiotikum. In fünf bis zehn Tagen sind die Leute dann genesen. Teuer ist das nicht.
Hat die Verbreitung der Cholera Anfang dieses Jahres eine neue Dimension angenommen?
Ich würde schon sagen, daß diese Epidemie ein gewisser Höhepunkt ist. Aber warum das so ist, weiß kein Mensch. Interview: Hermann-Josef Tenhagen
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