: Anklage gegen Ex-Politbüro-Herren
Berlin (dpa/taz) — Nach dem Ex- DDR-Gewerkschafter Harry Tisch müssen sich nun möglicherweise auch die ehemaligen SED-Politbüro- Mitglieder Hermann Axen und Werner Krolikowski vor einem Gericht verantworten. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat gegen die beiden Mitglieder der früheren DDR-Führungsriege Anklage erhoben. Ihnen wird laut ihrem Verteidiger vorgeworfen, Millionenbeträge aus der früheren DDR-Staatskasse für den Bau von Privathäusern abgezweigt zu haben. Die Berliner Justizsprecherin Jutta Burghart bestätigte die Anklageerhebung gegen Krolikowski, wollte aber zum Fall Axen aus Verfahrensgründen noch keine Stellungnahme abgeben.
Der Honecker-Vertraute Hermann Axen, so der Anwalt, ist angeklagt, Gelder der Staatssicherheit für die Errichtung seines Ferienhauses auf dem Darß an der Ostsee verwandt zu haben. Er habe das Gebäude etwa 1985 bezogen, „aber bis zur Wende in der DDR im Herbst 1989 nur noch drei- bis viermal Urlaub machen können“. Der 74jährige Axen war im SED-Politbüro zuletzt für Auslandsfragen zuständig und hatte auch Kontakte zu führenden westdeutschen Politikern. Dem 62jährigen Werner Krolikowski wird vorgeworfen, seine Funktion als erster Stellvertreter des Vorsitzenden des DDR-Ministerrats dazu ausgenutzt zu haben, mit Staatsmitteln von 1986 bis 1989 drei Grundstücke in Velten, Wünsdorf und Finofurt in der weiteren Umgebung Berlin zu kaufen und darauf Wochenendhäuser zu errichten. Der Verteidiger sagte, die Anklage sei bereits in der DDR formuliert und vor kurzem zugestellt worden.
Der Verteidiger bezeichnete die Anklagen als rechtlich problematisch. Im Fall Axen basiere sie im wesentlichen auf der alten DDR-Strafvorschrift „Vertrauensmißbrauch zum Nachteil des sozialistischen Eigentums“. Gegen die Fortgeltung der Bestimmung hat kürzlich im Prozeß gegen Harry Tisch das Berliner Landgericht verfassungsrechtliche Bedenken geäußert und das Bundesverfassungsgericht angerufen. Es sei möglich, daß sich die Gerichte in den Fällen Axen und Krolikowski dem anschließen und die Verfahren bis zur Entscheidung aus Karlsruhe aussetzen. Der Anwalt bezeichnete beide Angeklagte als gesundheitlich stark angeschlagen.
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