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Asyl: Petitionsrecht wird zur Farce

Neues Ausländergesetz läßt Duldung während der Prüfungsphase nicht mehr zu  ■ Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) — Für AusländerInnen, insbesondere für rechtskräftig abgelehnte AsylbewerberInnen, hat das in Artikel 17 des Grundgesetzes garantierte Petitionsrecht praktisch keine Geltung mehr. Künftig wird eine Petition eines abgelehnten Asylbewerbers in der Regel keinerlei aufschiebende Wirkung mehr haben.

Das bisher übliche Verfahren, das — zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen — vorsah, von Abschiebung bedrohte Petitenten bis zur Entscheidung über ihren Antrag zu dulden, wurde klammheimlich kassiert.

Herausgekommen ist die neue Praxis in Nordrhein-Westfalen durch eine Anfrage des grünen Landtagsabgeordneten Siggi Martsch, der dem Petitionsausschuß in Düsseldorf angehört. Während der Sitzung des Ausschusses am 19. Februar räumte ein Vertreter der Landesverwaltung auf Nachfrage von Martsch ein, daß die bisherige Absprache zwischen Exekutive und Parlament, für die Dauer des Petitionsverfahrens auf eine Abschiebung zu verzichten, durch das neue Ausländergesetz nicht mehr gedeckt sei.

Entsprechendes regelt Paragraph55, Absatz 4 des neuen Gesetzes. Danach kann für einen rechtskräftig abgelehnten Asylbewerber eine Duldung nur noch dann erteilt werden, „wenn die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist...“ An dieser Rechtslage, so heißt es im Düsseldorfer Innenministerium, komme „man nicht vorbei“.

Auf die neue Praxis haben sich alle Innenministerien der Länder längst verständigt. Während einer Konferenz der Ausländerreferenten seien sich die Abgesandten der Bundesländer, so verlautete aus Teilnehmerkreisen, in diesem Punkt über alle Parteigrenzen hinweg „einig gewesen“. Das neue Gesetz, so die Interpretation der Ausländerreferenten, schreibe die Abschiebung für den Fall, daß die Petition keine neuen, relevanten Tatsachen enthalte, „zwingend vor“.

Nach Informationen der taz soll die entsprechende Vorprüfung künftig bei den jeweiligen lokalen Ausländerbehörden erfolgen. Erkennt die Behörde keine neuen Tatsachen, dann wird abgeschoben, noch ehe der Petitionsausschuß den Fall überhaupt zu Gesicht bekommen hat. Allein in Nordrhein-Westfalen wenden sich jährlich etwa 800 Asylbewerber mit einer Petition an den Landtag — zumeist allerdings ohne jeden Erfolg.

Am heutigen Dienstag wird das Düsseldorfer Innenministerium das neue Verfahren auf Druck von Siggi Martsch im Petitionsausschuß erläutern. Habe die Neuerung Bestand, dann, so befürchtet die Abgeordnete Martsch, gerate die Arbeit des Petitionsausschusses zur schlichten „Farce“. Eine Abschiebung des Petitenten, „bevor eine Prüfung des Anliegens nach humanitären Gesichtspunkten überhaupt möglich ist“, bedeute, daß die Petition längst „gegenstandslos“ geworden sei, „wenn sie zur Entscheidung vor dem Ausschuß kommt“, so Frau Martsch.

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