: Abgestürzt
■ Einkaufswagen für kleine Kinder eine große Gefahr
Wer kennt nicht den Schmerz, wenn der Einkaufswagen im Supermarkt die Fersen rammt. Meist läßt er nach kurzer Zeit zwar nach, aber es gibt auch schwerere Verletzungen durch diese rollenden Drahtgestelle.
Ärzte des Kinderkrankenhauses Aberdeen in England stellten fest, daß Kleinkinder besonders gefährdet sind: Innerhalb eines halben Jahres kamen zehn aus dem Einkaufswagen gestürzte Kinder mit schweren Kopfverletzungen in die Notfallambulanz.Wie die Ärztin Margarete Campbell berichtet, zeigt „die Tatsache, daß alle Kinder in dieser Untersuchung Kopfverletzungen erlitten, wie leicht diese mit dem Kopf voraus stürzen“. Ein Drittel der kleinen Patienten wurden sogar stationär versorgt. Campbell vermutet, daß „nur wenige andere Unfallmechanismen eine so hohe Rate an stationärer Krankenhausbehandlung zur Folge haben“.
Die Unfälle laufen immer nach dem gleichen Schema ab: Kleine Kinder werden in den Einkaufswagen gesetzt, weil man nicht noch gleichzeitig den Kinderwagen durch die eh schon schmalen Gänge schieben kann. Außerdem glauben Mütter und Väter, auf diese Weise das neugierige Grapschen ihrer Schützlinge in Regale und damit verbundene Katastrophen durch abstürzende Gläser besser in den Griff zu bekommen. Da man sich beim Einkaufen aber mehr auf die Waren konzentriert, wird übersehen, daß die Kinder auch eigene Interessen an so manchen Dingen haben. Ist das Regal weiter weg, beugen sie sich aus dem Einkaufswagen, bis sie Übergewicht bekommen.
Daß dabei der Kopf zuerst auf dem Boden aufschlägt, hat mehrere Gründe: Das Kind taucht wie eine Schaukel mit dem Kopf nach unten und mit den Beinen über den Rand des Einkaufswagen nach oben. Bei kleinen Kindern macht der Kopf 30 Prozent des Körpergewichts aus, während es beim Erwachsenen durch wachstumsbedingte Verschiebungen der Proportionen nur noch 12 Prozent sind. Da nach dem Fallgesetz der schwerste Teil immer zuerst herunterfällt, ist das in den ersten Lebensjahren der Kopf. Außerdem ist die Strecke vom Rand des Einkaufswagens bis zum Boden zu kurz, um instinktiv noch die Arme vor den Kopf zu halten. Deshalb führt dieser Unfallmechanismus fast regelmäßig zu Kopfverletzungen. In der englischen Studie waren die betroffenen Kinder zwischen neun Monaten und vier Jahren alt. Zur stationären Aufnahme führten Bewußtlosigkeit und sogar ein Schädelbruch. Aber die Ärzte gaben sich damit nicht zufrieden. Sie gingen in sechs Supermärkte und stellten fest, daß von 300 Kindern in Einkaufswagen nur sechs gegen Stürze gesichert waren, also nur zwei Prozent. Deshalb schlagen sie vor, in Supermärkten neben Einkaufswagen auch Kindersicherungen anzubieten. emp/taz
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