Von Tier und Mensch

■ Ein Programmschwerpunkt des ZDF

Wir begegnen ihnen im Bilderbuch und in der Metzgerei, wir halten sie in Gefängsniszellen, geben ihnen den Platz von drei Din-A-4 Blättern und ziehen ihnen nach der „Keulung“ das Fell über die Ohren. Oder wir nennen sie Zwockelchen, servieren ihnen Filethäppchen und maniküren ihre Pfoten. „Wir brauchen die Tiere, um zu erfahren, daß wir selbst ein Teil der Tiere sind“, sagt der britische Zoologe Desmond Morris. Er wirft den Menschen Vertragsbruch vor. Sie hätten den alten Bund mit den Tieren verletzt und sie zu „Mitgeschöpfen zweiter Klasse“ degradiert. Desmond Morris' Dreiteiler war der bisher beste Beitrag im neuen ZDF-Schwerpunkt Von Tieren und Menschen. Mit insgesamt 25 Filmen will der Sender aus Schlachthöfen und Forschungslabors, Zuchtfabriken und Zoologischen Gärten berichten.

Der Auftakt war originell und vielversprechend. Gabriele Röthemeyer hatte die drei hierzulande bekanntesten Tierzeichner vorgestellt: Tatjana Hauptmann, Luis Murschetz und Helme Heine mit ihren wunderbaren Viechereien. Ob die Wutz, Waldemar oder Dorothea heißen, die drei können noch ungeniert die Sau rauslassen. Von Koben und Kotelettproduktion befreit, fährt Schwein mit Maus und Gockel Fahrrad und schläft nächtens bei Franz von Hahn auf der gefährlich verbogenen Hühnerleiter. Bilder voller Poesie als letzte Reservate. Ein „Feldzug gegen das eingepferchte Leben“, aber nie moralisch.

Der Film über das Experiment Tierversuch und vor allem die anschließende Diskussion waren dagegen ärgerlich. Nachdem man sich aufgeschlitzte Ratten und verätzte Kaninchenaugen zu Gemüte geführt hatte, ging es nicht mehr um die Frage, wie den Tieren geholfen, der Tierverbrauch der Forschung radikal reduziert werden könnte, sondern um das übliche Ich-bin-dagegen — Ich-bin-dafür. Man nehme zwei Manager der Pharmaindustrie, konfrontiere sie mit zwei missionarischen Tierschützern und darf dann sicher sein, daß die Sendezeit mit erregt vorgetragenen Fundamentalweisheiten verplempert wird.

Unter dem Eindruck der zuvor gezeigten Tierversuche sprachen sich in der Telefonumfrage 75,2 Prozent der Fernsehzuschauer grundsätzlich gegen Tierversuche aus. Ganze sieben Prozent wollten sie akzeptieren. Noch in derselben Nacht verkokelten militante Tierschützer bei einem Brandanschlag das tierärztliche Institut der Uni Göttingen. Sachschaden: 400.000 Mark. Das Fernsehen als Brandstifter — mal was anderes.

Viel subtiler und weniger ausweglos waren die Demütigungen der Tiere, die Desmond Morris beschreibt. Amerikanische Sekten, die mit Klapperschlangen tanzen, die Touristenmeute, die den Löwen jagt, die wachsende Bevölkerung, die der Antilope das Wasserloch abgräbt. Morris zeigte aber auch ermutigende Beispiele. Neue, großzügig angelegte zoologische Gärten wie in Arnheim, die den natürlichen Lebensraum der Tiere fast perfekt imitieren. Der Be-Sucher wird auf schmalen Stegen durch den „Tropenwald“ geführt und muß die Tiere in ihrem Versteck ausspähen. Heute läuft der letzte Teil der Morris-Trilogie: Trotz eines manchmal durchschlagenden Pathos hat Morris eine spannende und bewegende Dokumentation der Geschichte von Mensch und Tier vorgelegt.

Weitere Beiträge zum ZDF- Schwerpunkt folgen am Sonntag (Haben Tiere ein Bewußtsein?) und Montag (Brehms Tierleben). Manfred Kriener