: Maritimer Katastrophenschutz
■ Die Minenboote am Golf als Verantwortungsvorhut
Maritimer Katastrophenschutz Die Minenboote am Golf als Verantwortungsvorhut
Gemeinhin denkt der unbefangene Bürger bei der Erwähnung von Katastrophenhilfe an das Rote Kreuz, Flugzeugladungen voll Wolldecken und Lebensmittelrationen in Erdbebengebiete. Wenn dann die Bundesluftwaffe die zivilen Transportkapazitäten in ein von der Natur gebeuteltes Notstandsgebiet verstärkt, denkt derselbe Bürger, endlich tut die Bundeswehr einmal etwas Vernünftiges — sollte sie öfter machen.
Seit gestern wissen wir, daß es bei früheren Einsätzen der Luftwaffe — beispielsweise in einem Erdbebengebiet außerhalb des Nato-Territoriums — vielleicht auch um Wolldecken, hauptsächlich aber um die Vorbereitung einer neuen weltpolitischen Rolle der Bundesrepublik ging. Denn der Einsatz eines bundesdeutschen Minensuchverbandes am Persischen Golf, immerhin der erste „Out of area“-Einsatz der Marine, ist aus Sicht der Bonner Politjuristen nichts anderes als eine Katastrophenhilfe.
Zwar sind einige CDU/CSU-Hinterbänkler nicht von der Ansicht abzubringen, mit der Entsendung der Minensuchboote zeige die Bundesregierung nun endlich die seit langem geforderte Bündnisfähigkeit und Bündnistreue. Doch die Wissenden im Auswärtigen Amt wissen es natürlich besser: Aufräumungsarbeiten nach einer Katastrophe, das sei es, was in den Golfgewässern nun anstehe. Dagegen könne sich die Bundesmarine sowenig verschließen wie Greenpeace gegen den Ruf an die Ökofront.
Daß der Krieg am Golf für die Menschen und die Natur der Region eine Katastrophe war, ist sicher unstrittig. Daß ein Krieg nun jedoch wie ein Erdbeben über uns gekommen sein soll, ist aber wohl eher ein schlechter Witz. Der Einsatz der deutschen Flotte am Persischen Golf, bereits vor einer Änderung des Grundgesetzes, läßt vielmehr für die Verfassungsdebatte wenig Gutes erwarten. Schließlich soll nur noch gesetzlich sanktioniert werden, was bereits in der Praxis akzeptiert ist. Haben sich die Bürger der Republik erst einmal an die Bilder von deutschen Soldaten in aller Welt gewöhnt, wird die parlamentarische Auseinandersetzung um die zukünftige Rolle der Bundeswehr leicht zur Farce. Die für den Laien sowieso schwierige Aufgabe, zwischen den verschiedenen UNO- Einsätzen und deren formalen Voraussetzungen zu unterscheiden, wird in der Öffentlichkeit zusätzlich erschwert. Bei diesem Verfahren droht die Gefahr, daß die militärischen Maximalisten sich am Ende durchsetzen — womöglich mit dem Argument, Katastrophen künftig gleich vorbeugen zu wollen. Jürgen Gottschlich
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