Gesetzentwurf zum Schutze des KGB

■ Der Oberste Sowjet behandelt Gesetzesprojekt über Rechte und Pflichten des KGB/ Die Rechte des Individuums tauchen nur verschwommen auf/ Augenwischerei und Scheinlegalismus vorherrschend

Wladimir Krjutschkow, Vorsitzender des KGB, ist ein Mensch wie jeder andere. Das jedenfalls behauptet er von sich. Als er noch Zeit hatte, ging er gerne ins Theater. Am liebsten natürlich ins Bolschoi. „An meinem Leben ist nichts Besonderes, wenn man einmal davon absieht, daß ich Aufklärer war“, offenbarte er anläßlich seiner Amtseinführung vor zweieinhalb Jahren. Als KGB-Chef ist er natürlich auch heute noch oberster „Aufklärer“. Nur eben nicht gegenüber der Gesellschaft und ihren parlamentarischen Vertretern.

Das Gesetzesprojekt, das die Aufgaben und Pflichten des KGB festschreiben soll, feierte er vor dem Obersten Sowjet der UdSSR als einen bahnbrechenden Erfolg in Richtung Rechtsstaatlichkeit. Nur hat diese Vorlage einen entscheidenden Mangel. Sie sagt so gut wie nichts über die Rechtsgarantien der Bürger vor Übergriffen des KGB. Der Entwurf ist Teil eines geplanten übergreifenden Gesetzesvorhabens, das die Frage der staatlichen Sicherheit im Ganzen regeln soll. Doch das Problem damit sei, so Krjutschkow, „daß es nicht Monate, sondern Jahre dauern wird, um ein Konzept staatlicher Sicherheit für unser Land auszuarbeiten“. So begnügt man sich mit einem „operativen“ Entwurf, der zunächst die Arbeit der Staatssicherheit sicherstellt: Zu den drei wesentlichen Punkten gehören der legale Schutz von KGB-Offizieren, die Anwendung von speziellen Mitteln bei der Verbrechensbekämpfung und die Klärung des Status der geheimen Helfer der Gruselbehörde.

Natürlich bedeutet es bereits einen Fortschritt, daß das KGB sich um eine rechtliche Absicherung seines Treibens bemüht. Bisher arbeitete es nur auf der Grundlage einer Anordnung des sowjetischen Ministerrates und des ZK der KPdSU aus dem Jahre 1959. Dennoch ist es absurd, daß eine derart diskreditierte Organisation eine Vorlage einbringt, die sie selbst entworfen hat. Wäre es nach Krjutschkow gegangen, hätte der Oberste Sowjet das Gesetz sofort verabschiedet. Die bedrohliche Gesetzlosigkeit im Lande verlange schnelles Handeln, führten sie zu ihrer Glaubwürdigkeit an. Selbstverständlich fehlten auch die Hinweise auf die „subversiven Aktivitäten der ausländischen Geheimdienste“ nicht, die in letzter Zeit ihr Unwesen verstärkt haben sollen. Hätten sich einige Hardliner durchsetzen können, wäre noch ein Passus hinzugefügt worden, der den Kampf „gegen informelle Gangs in Transkaukasien, Mittelasien und dem Baltikum, sowie gegen politische Gruppen, die die Abgeordneten der UdSSR bedrohen und angreifen“ auf eine juristische Grundlage stellt. Nach Krjutschkow wird die UdSSR auch weiterhin ein einheitliches Sicherheitssystem haben. Allerdings sind für die Republiken eigene Dienste vorgesehen, die in engem Rahmen unabhängig handeln können. Näheres verriet er nicht.

Der Leningrader Bürgermeister Sobtschak forderte in der Debatte, die „Verantwortlichkeit der Staatsorgane für ihre eigenen Fehler“ müßte mitaufgenommen und der „Schutz der Privatsphäre des Individuums“ festgeschrieben werden. Wie in umstrittenen Fällen üblich erhielten die Abgeordneten die Gesetzesvorlage erst am Tag ihrer Befassung.

Die zentralen Medien veröffentlichten nichts außer dem schwammigen Vortrag des KGB-Chefs, der alle Fragen offenließ und weinerlich um Verständnis für seine Behörde bat. Wie gesagt: Krjutschkows Leidenschaft ist das Theater. Klaus-Helge Donath