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Tote in den Straßen von Basra

Irakische Flüchtlinge berichten von Greueltaten des Regimes/ Kämpfe gehen weiter/ Kurdische Stadt Ranya in den Händen der Guerilla/ Peschmergas können sich freier bewegen  ■ Von Beate Seel

Der irakische Diktator Saddam Hussein hat offenbar seine Gewaltherrschaft über Basra wieder etabliert. Flüchtlinge berichteten gestern von der Niederschlagung des Aufstandes und Racheaktionen der regimetreuen Truppen. Zahlreiche Menschen, die in die von den US-Streitkräften besetzen Ort Safwan geflohen sind, sagten, irakische Soldaten hätten zahlreiche, am Aufstand beteiligte Menschen getötet und ihre Leichen zur Abschreckung in den Straßen liegen lassen. Die Soldaten sprengten Häuser angeblicher Oppositioneller. Bei der Rückeroberung der Stadt soll es zu Haus-zu-Haus-Kämpfen gekommen sein. Republikanische Garden hätten Panzer eingesetzt. In den zerschossenen Gebäuden seien auch zahlreiche Frauen und Kinder ums Leben gekommen. Insgesamt sollen die Kämfe über Tausend Opfer gefordert haben.

In anderen Orten des Südirak gingen die Kämpfe gestern weiter. In den heiligen schiitischen Städten Nadjaf und Kerbala verteidigten sich die Aufständischen gegen immer stärkere Verbände des Regimes. In Kumayat setzte die irakische Armee nach US-Angaben Hubschrauber gegen die Protestierenden ein. Geflohene irakische Oppositionelle berichteten, sie hätten die Alliierten um Hilfe gebeten, aber keine Antwort erhalten. Die USA hatten am Dienstag erklärt, sie wollten sich aus den Kämpfen heraushalten. Ihre Truppen kontrollieren die Verbindungsstraße von Basra Richtung Norden bis zu der Stadt Samawah.

Ausgelöst durch eine vermutlich spontane Revolte war Basra, der Ausgangspunkt der Aufstände offenbar zwischen Samstag und Montag in den Händen der Oppositionellen. Schiitisch-fundamentalistische Organisationen im Ausland versuchen dabei, mit ihren Erklärungen auf den fahrenden Zug aufzuspringen. In den Straßen Basras sollen auch Portraits des verstorbenen iranischen Revolutionsführers Khomeini und des Vorsitzenden des obersten Rates der Islamischen Rveolition im Irak, Hakim, aufgetaucht sein. Doch angesichts der brutalen politischen Repression und der Ausweisung zahlreicher Schiiten im Zuge des iranisch-irakischen Krieges dürfte von der organisierten Opposition im Irak nicht mehr viel übrig sein.

Die einzige Ausnahme bildet Kurdistan. Die Organisationen der kurdischen Bevölkerung, die sich in einer gemeinsamen Front zusammengeschlossen haben, blicken im Gegensatz zu den anderen Gruppierungen auf eine lange Geschichte oppositionellen Kampfes zurück. Hier scheint die Führung in Bagdad bislang noch nicht zu einem Gegenschlag ausgeholt zu haben. Wie ein Vertreter der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) unter Führung von Jalal Talabani gegenüber der taz berichtete, hat der Aufstand in Kurdistan am 3. März als Reaktion auf die Niederlage des Regimes im Golfkrieg und die Ereignisse im Süden des Landes begonnen.

Diesen Angaben zufolge befindet sich die Stadt Ranya mit ihren rund 80.000 Einwohnern nahe der Grenze zum Iran vollständig in den Händen der PUK. Nachdem Bürgermeister Hoshmend Mustafa Fatah und die Spitzen der öffentliche Verwaltung übergelaufen seien, habe auch eine ganze Division einschließlich zweier Generäle jedweden Widerstand aufgegeben. Offenbar hatten sie die Situation als aussichtslos eingeschätzt. Bereits seit August waren Teile der irakische Armee aus Kurdistan abgezogen und in den Süden des Landes beordert worden, so daß die Kontrolle der Bevölkerung weitgehend den Djasch, einer vom Regime aufgestellten kurdischen Miliz überlassen bleib. Diese Djasch hat freilich schon häufig eine Zwitterrolle gespielt; Kontakte zu den krudischen Kämpfern, den Peschmergas, gibt es immer wieder. Der Aussage des PUK-Vertreters zufolge können sich die Peschmergas derzeit auch in der Umgebeung der Städte Suleimaniyah und Arbil relativ frei bewegen. Einige weitere Städte seien ebenfalls in den Händen der Kurden. Auch in drei Lagern, in denen zwangsweise umgesiedlete Kurden leben, sei es zu Protesten gekommen. In dem Lager Khabat seien in der Nacht zum Dienstag im Zuge von Auseinandersetzungen zwei Polizisten getötet und weitere verletzt worden.

Die kurdsiche Bewegung scheint sich momentan vor allem auf die Gebiete nahe der iranischen Grenze zu konzentrieren. Aber auch in der Region um Badinan, traditionelle Hochburg der Demokratischen Partei unter Massoud Barzani, soll es zu kleineren Aktionen gekommen sein. Kurdischen Kreisen aus Damaskus zufolge soll Barzani jedoch am Mittwoch seine Kämpfer per Radio aufgefordert haben, sich dem Aufstand anzuschließen. Hintergrund der relativen Zurückhaltung und Vorsicht der kurdischen Organisationen sind bittere Erfahrungen der Vergangenheit: Die Brutalität des Regimes, das vor Giftgaseinsätzen nicht zurückschreckte, spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Tatsache, daß frühere Kämpfe in Kurdistan in anderen Teilen des Landes keine Unterstützung fanden.

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