piwik no script img

Anwalt läßt Richter verzweifeln

■ Prozeß um Bremer Rathaus-Besetzung: Zweiter Befangenheitsantrag

Kaum war der erste Befangenheitsantrag gegen ihn abgelehnt, hatte Amtsrichter Klaus Richter schon den nächsten am Hals. Dem vorsitzenden Richter im Prozeß gegen den Rathausbesetzer Jakob N. stand der Zorn ins Gesicht geschrieben, als er wie am ersten Verhandlungstag das Verfahren wegen eines Befangenheitsantrages gegen sich unterbrechen mußte. Diesmal lehnte Verteidiger Hans-Eberhard Schultz nicht nur Klaus Richter ab, sondern gleich auch noch denjenigen Richter, der über den Befangenheitsantrag vom ersten Prozeßtag entschieden hatte. Begründung: Bei der Ablehnung des Antrages habe sich ein „schwerer Verfahrensfehler“ eingeschlichen.

Jakob N. ist angeklagt, im April 1989 als Solidaritätsaktion für die hungerstreikenden RAF- Gefangenen mit anderen zusammen die obere Halle des Rathauses besetzt zu haben. Ihm wird Hausfriedensbruch und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen.

Am zweiten Prozeßtag monierte Verteidiger Hans-Eberhard Schultz am Donnerstag, daß ihm die Antwort von Richter Richter auf den ersten Befangenheitsantrag nicht zugeschickt worden sei. Er habe deshalb als Verteidiger dazu nicht mehr Stellung nehmen können, bevor der Beschlußrichter den Antrag ablehnte. Damit war für Schultz klar: auch der Beschlußrichter ist nicht länger tragbar.

An den Argumenten gegen Richter Richter hat sich für den Verteidiger auch jetzt nichts geändert. „Der entscheidende Punkt“ sei in der Ablehnung des Befangenheitsantrages „vollkommen außer acht gelassen“ worden. Am ersten Prozeßtag hatte ein Polizeizeuge als Adresse nur „Bremen“ angegeben, weil er sich angeblich durch die „Sympathisantenszene“ bedroht fühle. Richter Richter habe den Begriff der „Sympathisantenszene“ unkritisch übernommen und für Jakob N. und die ZuschauerInnen im Gerichtssaal verwendet, so Verteidiger Schultz. Dies sei eine Vorverurteilung.

„Man kann ein Verfahren auch mit Prozeßunterbrechungen verlängern“, polterte Richter Richter daraufhin. Und zu Jakob N.: „Wenn Sie verurteilt werden, müssen Sie die höheren Kosten tragen, die durch einen längeren Prozeß entstehen.“

Hans-Eberhard Schultz zeigte sich erstaunt, daß der Richter die Zeugenvernehmung nicht fortsetzte, obwohl dies trotz der Befangenheitsanträge grundsätzlich möglich gewesen wäre. Seine Einschätzung: Das Gericht zweifle inzwischen selbst an der Verurteilung von Jakob N. wegen Widerstandes, da sich die Polizeizeugen am vorangegangenen Verhandlungstag heftig widersprachen. Und, so Schultz: „Den Hausfriedensbruch kriegen wir auch noch weg.“ och

Fortsetzung am 14.3., 9 Uhr, Amtsgericht Zimmer 351

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen