: Aus für Schwulen- und Lesbenhilfe?
■ Zehnjähriges Jubiläum der »Lesben- und Schwulenberatung in der Kulmer Straße«/ Senator: Selbsthilfegruppen sollen von Kürzungen verschont bleiben/ Trotzdem keine Geschenke vom Senat
Schöneberg. »Bald alles vorbei!?« Unter diesem pessimistischen Motto feierte die »Lesben- und Schwulenberatung in der Kulmer Straße« gestern ihren zehnjährigen Geburtstag. Während die Gratulanten Blumen brachten, zeigt sich der Senat trotz des Jubiläums geizig: »11,5 Prozent weniger«, erging unlängst das Kürzungsdekret des Finanzsenators an alle Berliner Selbsthilfegruppen. doch nicht jeden trifft es gleichermaßen. Die »Lesben- und Schwulenberatung in der Kulmer Straße« muß besonders bluten: der Etat für die Aidsberatung und Selbsthilfe soll um 25 Prozent (150.000 Mark) schrumpfen, der Bereich psychosoziale Versorgung muß um 20 Prozent (50.000 Mark) abspecken. Vor dem völligen Aus steht das Ressort Aufklärungs- und Bildungsarbeit. Die Etatkürzung hier: 100 Prozent (200.000 Mark).
Das besondere Beratungskonzept der Lesben- und Schwulenberatung scheint der Finanzverwaltung entbehrlich: Im Gegensatz zur Berliner Aidshilfe (BAH) leisten die MitarbeiterInnen in der Kulmer Straße weniger »rasche Katastrophenarbeit«. Der Schwerpunkt liegt statt dessen auf langfristigen professionellen und therapeutischen Beratungsangeboten. »Unser Aushängeschild ist nicht Aids, sondern das Schwul- und Lesbischsein«, sagt ein Mitarbeiter. Auf diese Weise sollen auch Berührungsängste bei solchen Betroffenen verringert werden, die sich in eine Beratungsstelle, »in der sich alles um Aids dreht«, nicht hineintrauen. Die Kulmer Straße bietet Hilfe für Schwule und Lesben in fast allen Lebenssituationen: Beziehungsprobleme, schwules bzw. lesbisches Coming- out, aber auch Alkoholabhängigkeit. Gerade lesbische Alkoholikerinnen fühlen sich in anderen Therapieeinrichtungen häufig diskriminiert. Ratschläge wie »Such' dir mal einen Freund, dann geht es dir besser«, sind dort keine Ausnahme.
Gefährdet ist auch ein vielversprechendes Projekt in Zusammenarbeit mit der Berliner Schutzpolizei: Nur selten erstatten schwule und lesbische Opfer von Gewalttaten Anzeige. Hier soll die Integration von schwul-lesbischen Inhalten in die Ausbildung von SchutzpolizistInnen helfen, gegenseitige Berührungsängste abzubauen. Informationsgespräche mit Schulklassen, Pläne für eine psychologische Beratung vor Ort in Berliner Aids-Schwerpunktpraxen und psychosoziale Fortbildungsangebote für andere Sozialeinrichtungen stehen außerdem auf dem Spiel.
Hohen Besuch gab es in der letzten Woche: Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) schaute persönlich in der Kulmer Straße vorbei und zeigte sich beeindruckt. Seine Meinung: »Die Arbeit der Selbsthilfegruppen ist unverzichtbar.« Sie sollten am besten von den Kürzungen verschont bleiben, findet der Senator. Wohl nur ein frommer Wunsch. Denn das Sagen hat in diesem Fall der Senator für Finanzen. Marc Fest
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