Bush und Saddam in einer Front?

■ Die USA entdecken Saddam Hussein als Garanten einer neuen Stabilität

Bush und Saddam in einer Front? Die USA entdecken Saddam Hussein als Garanten einer neuen Stabilität

Noch letzte Woche ermutigten Politiker in Washington und in den Hauptstädten der arabischen Allianzstaaten die irakische Bevölkerung mehr oder weniger offen zum Sturz Saddam Husseins. Doch nun scheint der oft zitierte Satz: „Wir weinen Saddam keine Träne nach“, nicht mehr unbedingte Gültigkeit zu haben. Während das Regime in Bagdad angesichts der aufstandsähnlichen Proteste die staatliche Einheit beschwört, verändert die US-Regierung ihre Position zusehends — es gäbe, sagt sie jetzt, Schlimmeres als ein Überleben Saddams, nämlich den Zerfall des Irak, eine islamische Republik oder eine „Libanonisierung“ des Landes. Bush und Saddam in einer Front?

Dabei waren es gerade die Verbündeten unter Führung der USA, die nach der irakischen Niederlage eine Art militärischen Schirm für den inneren Machtwechsel boten. Daß es just die schiitische Bevölkerung im Süden war, die den Anstoß für die Erhebungen gegen den irakischen Diktator gab, ist eine der Ironien der Geschichte. Waren es doch die USA und die Golfanrainerstaaten gewesen, die im Zuge des irakisch-iranischen Krieges eine Ausweitung der islamischen Revolution in der Region unterbinden wollten. Nun sehen die US-Militärs im Südirak zu, wie Saddams Truppen einmal mehr die eigene Bevölkerung niedermachen. Das Schutzschild der alliierten Truppen im Süden, das den Machtwechsel ermöglichen sollte, wird plötzlich zum Schutz für die Republikanergarden, für Saddam Hussein. Eine militärische Intervention scheidet aus moralischen, völkerrechtlichen aber auch aus handfesten politischen Gründen aus. Schließlich werden die USA von der irakischen Bevölkerung und nicht nur von Parteigängern Saddam Husseins für die Zerstörung des Landes verantwortlich gemacht. Daher setzten die USA auch zunächst auf einen Sturz des Regimes von innen; in der Folge reduzierte sich der Wunsch nach einem Wechsel auf das Verschwinden des irakischen Diktators: Einen Putsch aus dem Innern der Baath-Partei oder des Militärs heraus, der die staatlichen Strukturen, Institutionen und Unterdrückungsapparate weitgehend intakt läßt und damit eine neue stabile (und möglichst weniger brutale) Herrschaft etabliert. Nun sieht es so aus, als wäre die Person Saddam das geringere Übel angesichts der Möglichkeit eines Sturzes des Regimes durch die oppositionellen Kräfte im Lande.

Mit Demokratie hat das alles nichts zu tun. Zwar ist die irakische Opposition zersplittert und ideologisch uneins, und das letzendliche Ergebnis eines solchen Umsturzes ist völlig offen. Doch von der Verantwortung, „die Welt weg vom dunklen Chaos der Diktatoren in eine bessere Zukunft zu führen“ (Bush), von dieser hehren Mission scheint man in Washington heute so wenig zu halten, daß man noch nicht einmal mehr den Versuch einer demokratischen Erneuerung des Irak wagen will. Die arabischen Verbündeten am Golf werden es Bush danken — fürchten sie doch nichts mehr als ein demokratischen System in der Region, das auch die Hoffnungen ihrer eigenen Untertanen auf eine bessere Zukunft schüren könnte.

Beate Seel