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Perspektiven einer anderen Drogenpolitik?

Auf einem bundesweiten Drogenkongreß wollen Abhängige und ehemals Drogensüchtige neben Kennern der Drogenszene ihre Positionen jenseits staatlich-repressiver Politik zusammentragen/ Veranstaltung stößt bereits im Vorfeld auf breite Resonanz  ■ Von Martina Habersetzer

Berlin (taz) — Ein Fixer ist für die Gesellschaft ein hoffnungsloser Fall. Entweder bedröhnt oder auf der fieberhaften Suche nach neuem Stoff, leistet er keinen produktiven Beitrag für die Gemeinschaft, sondern liegt ihr, wenn er sich durch unsaubere Spritzen prompt HIV-infiziert, auch noch auf der Tasche. Wer Drogen konsumiert — illegale, wie Hasch, Koks oder Heroin, versteht sich — ist unkontrolliert, schwächlich und kriminell.

Mit solchen Etiketten schnell bei der Hand, übersehen viele „besorgte“ Politiker und Eltern jedoch, daß es in den letzten Jahren zunehmende Bestrebungen von Süchtigen, Substituierten und Ex-Usern gibt, eigene Wege aus dem Teufelskreis Abhängigkeit/ Beschaffungskriminalität/ Knast/ Abhängigkeit zu suchen und sich in Selbsthilfegruppen zu organisieren. Eine von ihnen ist JES — die Drogenselbsthilfe von Junkies, Ex-UserInnen und Substituierten, mittlerweile vertreten in nahezu allen Großstädten der Bundesrepublik. Sie arbeiten „für eine legale Existenzmöglichkeit“ und fordern „trotz Charakterschwäche, Suchtverhalten, Therapie- und Haftschäden, trotz fehlender Ausdauer und Entmutigung“ ein Mitspracherecht in ihren eigenen Angelegenheiten.

Der breiten Öffentlichkeit nahezu genauso unbekannt ist akzept e.V. — ein seit knapp einem Jahr bestehender Bundesverband „für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik“. Gegründet wurde er im April letzten Jahres von WissenschaftlerInnen, PraktikerInnen und JuristInnen mit der Intention, der einzig um Repression à la Rauschgiftbekämpfungsplan kreisenden öffentlichen Diskussion eine neue Wendung zu geben: Weg von dem allgemeingültigen Heil der absoluten Drogenabstinenz, hin zu einer Politik des akzeptierten Drogengebrauchs.

All diesen Projekten ist eines gemeinsam: Sie können in der ausschließlich auf Strafverfolgung und Rauschgiftbekämpfung basierenden Politik keine Erfolge erkennen. Im Gegenteil: „Trotz ständiger Aufstockung der personellen und materiellen Ressourcen zur ,Rauschgiftbekämpfung‘ gelingt es nicht, den illegalen Drogenmarkt einzudämmen oder gar auszutrocknen. Die enormen Gewinnspannen, die (dadurch weiterhin) von international operierenden Syndikaten im illegalen Drogengeschäft erzielt werden, sind Anreiz für ständigen Nachschub auf dem Drogenmarkt.“ heißt es im Grundsatzprogramm von akzept e.V. Während aufgrund einer liberaleren Drogenpolitik in Amsterdam die Zahl der Drogentoten erheblich zurückgegangen ist, verzeichnete das Statistische Landesamt in Berlin im vergangenen Jahr erneut über 1.000 Todesfälle, die auf den Gebrauch einer Überdosis Heroin zurückzuführen sind.

Auf dem ersten bundesweiten Kongreß des Bundesverbandes, der vom 10. bis 13. März unter dem Motto „Leben mit Drogen?“ in Berlin stattfindet, sollen sämtliche Positionen jenseits staatlich-repressiver Drogenpolitik gebündelt werden, um so möglicherweise Perspektiven jenseits des festgefahrenen Dilemmas zu entwickeln. Themen sind suchtbegleitende Behandlung durch Substitution, Erfahrungen von Selbstheilern, Drogenprobleme in den neuen Bundesländern, Drogenstrafrecht und Verfassung, aber auch das „Fixerbild“ in Medien und Nachbarschaft. Kenner der Drogenszene und -politik wie der Hamburger Landesdrogenbeauftragte Horst Bossong oder Lorenz Böllinger, Professor an der Uni Bremen, haben ihre Teilnahme ebenso zugesagt wie der bekannte Berliner Fachjournalist Bernd-Georg Thamm, der sich mit seinen liberalen Positionen mittlerweile sogar bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Gehör verschaffen konnte. Besonders wichtig ist es den OrganisatorInnen jedoch, daß auch die Betroffenen selbst — Süchtige, ehemals Abhängige und Substituierte — zu Wort kommen. Nicht umsonst wird der Kongreß deshalb auch von der Deutschen Aids-Hilfe, JES und dem Arbeitskreis medikamentengestützte Süchtigenhilfe unterstützt.

Schon jetzt stößt der Kongreß auf breite Resonanz: Unter den knapp 300 Anmeldungen finden sich neben VertreterInnen aus medizinischen Fachkliniken, Elterninitiativen, Betriebsräten (von IBM bis zur Stadtreinigung) auch zahlreiche Richter und Staatsanwälte. Auf weniger Resonanz stieß der Kongreß bei Thomas Krüger (SPD), dem neuen Jugendsenator in Berlin. Der Kongreß habe „den Charakter einer Bestandsaufnahme der dem akzept e.V. nahestehenden Positionen“, das Vereinsprogramm diffamiere die bundesdeutsche Drogenpolitik als rein repressiv und konzentriere sich fast ausschließlich auf die Illegalität von Drogen, meinte Krüger und lehnte die Übernahme der Schirmherrschaft für den Kongreß rigoros ab.

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