Die "normale Koalition" als Chance

■ In Hessen sind die rot-grünen Koalitionsverhandlungen unter Dach und Fach

Die „normale Koalition“ als Chance In Hessen sind die rot-grünen Koalitionsverhandlungen unter Dach und Fach

Die erste „normale sozial-ökologische Koalition“ — so Hans Eichel für die SPD und Joschka Fischer für die Grünen — kann im April die Regierungsgeschäfte übernehmen. „Normal“ ist diese Koalition deshalb, weil der kleineren Regierungspartei vom designierten Ministerpräsidenten Hans Eichel wie selbstverständlich die Besetzung der Position des stellvertretenden Ministerpräsidenten zugestanden wurde. Und „normal“ ist diese Koalition auch, weil der designierte Minister für Umwelt, Energie und Bundesangelegenheiten, Joschka Fischer, wie selbstverständlich den hochsensiblen Atombereich in sein Ressort integrieren durfte. Die erste rot-grüne Koalition in Hessen war ja nicht zuletzt deshalb gescheitert, weil der damalige Ministerpräsident Holger Börner den Grünen in der Atomfrage mißtraut und deshalb die Genehmigung und Überwachung atomarer Anlagen in Hessen dem atomfreundlichen SPD-Wirtschaftsminister Ulrich Steger anvertraut hatte.

Programmatisch haben sich beide Verhandlungsdelegationen auf die Festschreibung des politisch und finanziell Machbaren beschränkt. Die Zeiten, als man bei den Grünen noch „Luftschlösser“ baute und von Omnipotenzphantasien heimgesucht wurde, sind endgültig vorbei. Es ist „reformorientiert“ (Fischer) verhandelt worden. Und die roten und grünen Reformer in Wiesbaden haben die politischen und rechtlichen Grenzen einer Landesregierung in einem föderativ strukturierten Staatsgebilde mit zentralistischer Weisungsbefugnis in nicht unwesentlichen Politikfeldern — etwa in der Atompolitik — klar benannt.

Daß sich bei der Frage der Besetzung des Frauenministeriums letztendlich die SPD durchsetzen konnte, ist keine „Niederlage“ für die Frauen bei den Grünen. Die Frauenpolitik ist für die SPD inzwischen zu einem beliebten Profilierungsfeld avanciert — und das ist schließlich ein politischer Erfolg der grünen Frauen und der gesamten Frauenbewegung. Daß die SPD dafür das klassische sozialdemokratische Ressort Sozialpolitik in wesentlichen Teilen an die Grünen abgetreten hat, ist ein weiterer Hinweis auf das Selbstverständnis dieser „ganz normalen“ rot-grünen Koalition — und letztendlich der Anfang vom Ende der politischen Sonderrolle der Grünen im Spektrum der demokratischen Parteien.

In dieser demonstrativ angestrebten „normalen Koalition“ haben die Grünen die wohl letzte Chance, den Beweis dafür anzutreten, daß eine sozial-ökologische Koalition kein „Auslaufmodell“ (Wallmann/Ditfurth) ist, sondern eine funktionierende Alternative zu einer sozial-liberalen Koalition. Und für die Grünen als Partei ohne Mandat im Bundestag ist eine funktionierende hessische Koalition — mit einem Joschka Fischer als Minister für Bundesangelegenheiten — darüber hinaus eine politische Überlebensgarantie. Wie sagte doch die CDU im Wahlkampf: „Hessen geht vor — gehen Sie mit!“ Klaus-Peter Klingelschmitt