: Falsche Erwartungen
■ In Südafrikas Townships wachsen Gewalt und Frustration
Falsche Erwartungen In Südafrikas Townships wachsen Gewalt und Frustration
Lange war Südafrika ein Garten Eden für Weiße in aller Welt. Die „Kaffern“ waren weniger wert als Hunde, sie waren Ungeziefer. Nun öffnen sich langsam die Tore des Paradieses, und das Ungeziefer darf herein. Doch das Öffnen von Türen macht aus Entrechteten keine Engel. In der Politik gibt es keine unbefleckte Empfängnis.
Wieso meint man eigentlich, im Zuge der graduellen Abkehr von der Apartheid würde am Kap der Guten Hoffnung das Paradies ausbrechen? Die Erwartungen von Beobachtern an die politische Kultur Südafrikas steigen nicht einmal parallel zum Fortgang der politischen Emanzipation, sie steigen im Quadrat. Weil Schwarze langsam in den Rang von Menschen erhoben werden, soll allenthalben Humanismus herrschen. Und weil dies nicht sofort passiert, werden Stereotypen über menschliche Unzulänglichkeit bestätigt: Die spezifisch südafrikanische Menschenmischung sei nun einmal zum Frieden nicht fähig. Die Welt rauft sich die Haare, weil auch in Südafrika die Menschen Menschen sind. Es wird ein Tribalismus zur Trinität erhoben: Weiße, Zulus und Xhosas, die sich gegenseitig totschlagen, anzünden, unterdrücken, die miteinander hadern, rivalisieren, verhandeln und um die Macht streiten. Und wer Südafrika als fatale Dreieinigkeit begreift, trauert, sobald sich die „rivalisierenden Stämme“ nicht wie Götter benehmen.
Das Blutvergießen in den Ghettos um Johannesburg ist eine Anklage gegen den Zustand der südafrikanischen Gesellschaft, die es nicht schafft, ihren schwarzen Mitgliedern eine andere Möglichkeit zur Selbstbestimmung zu bieten. Trotz aller Entkrampfung am Verhandlungstisch gilt immer noch das „Afrika der zwei Gerechtigkeiten und des einen Verbrechens“, wie es der westafrikanische Schriftsteller Paul Niger beschreibt. Da politische Machtausübung im Rahmen der südafrikanischen Gesetze Schwarzen immer noch verwehrt wird, bleibt die illegale Machtanmaßung in Form des bewaffneten Kampfes. Dieser wendet sich nicht gegen den stärksten und entferntesten Feind, sondern gegen den schwächeren und benachbarten Rivalen. Wer in den Townships von Alexandra und Soweto lebt, tut es nicht aus freien Stücken, sondern weil es woanders verboten ist. Hier kämpfen Zwangsangesiedelte und Saisonarbeiter gegeneinander, entwurzelte Gruppen von Rechtlosen, für die die neuen Freiheiten, ein Haus zu kaufen, Land zu besitzen und mit den Weißen am Strand zu liegen, Hohn sind.
Es reicht nun einmal nicht aus, ein Ghetto nicht mehr Ghetto zu nennen. Und eine schwarze politische Führung, die im Garten Eden Gespräche führt, wird bald nicht mehr wahrnehmen, was außerhalb des Gartens passiert. Sie wird die Massen in den Townships nicht erreichen. Und solange dieser Zustand andauert, so lange steigen die unerfüllten Hoffnungen der Townships, die Frustrationen werden kompensiert durch das immer brutalere Erkämpfen eigener Freiräume, und es wachsen die Leichenberge. Dominic Johnson
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