: Ost-Besitz: Koalition bleibt beim Vorrang der Rückgabe
■ FDP-Kompromiß übernommen: Entschädigung zugunsten von Investitionen
Bonn (taz/dpa) — Spitzenpolitiker der Regierungskoalition haben am Dienstag die Kompromißformel übernommen, der Anspruch auf Rückgabe enteigneten Eigentums in der Ex-DDR müsse bei wichtigen Investitionen zurücktreten. Grundsätzlich soll die Rückgabe jedoch Vorrang vor der Entschädigung haben. Darauf hatten sich am Montag im FDP-Präsidium bereits die Hauptkontrahenten der letzten Wochen, Wirtschaftsminister Möllemann und Justizminister Kinkel, geeinigt. Möllemann hatte eine weitgehende Entschädigungslösung gefordert, während Kinkel in einem solchen Fall Erstattungsforderungen von mehreren hundert Milliarden DM auf den Bund zukommen sah.
Im Prinzip hat sich jedoch durch den Koalitionsbeschluß, mit dem das dem Bundestag bereits zugeleitete „Enthemmungsgesetz“ jetzt nachgebessert werden soll, nicht viel geändert. Zwar werden die Ausnahmeregelungen bis zum 31.12.1992 in Kraft treten, am bürokratischen Hauptproblem können aber auch sie nicht viel ändern: Zum einen bleiben die Grundbuchämter und die Genehmigungsbehörden auch weiterhin katastrophal überlastet, zum anderen unterscheidet sich die „großzügige Vorfahrtregelung für Investitionen“ kaum von der schon bislang in Artikel 41 des Einigungsvertrages festgelegten Bestimmung, daß auf eine Rückübertragung verzichtet werden muß und eine Entschädigung gezahlt wird, wenn dadurch Arbeitsplätze entstehen.
Die SPD reagierte mit scharfer Kritik auf den Koalitionsbeschluß. Ihr Wirtschaftsexperte Wolfgang Roth erklärte, mit dem Festhalten am „investitionsblockierenden Prinzip der Rückgabe vor Entschädigung“ bestätige die Koalition erneut ihre Unkenntnis der „tiefen wirtschaftlichen Katastrophe“ in Ostdeutschland. Die für die Ausnahmen vorgesehene Frist von 20 Monaten reiche nicht aus, in erforderlichem Maße Investoren zum wirtschaftlichen Engagement zu bewegen. Roth sprach von einer klaren Niederlage für Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann, der dafür plädiert hatte, der Entschädigung Vorrang vor einer Rückgabe einzuräumen.
Derweil bestätigte die Interessengemeinschaft der Eigentümer von Grundstücken in der Ex-DDR, daß mit einer nötigen Investitionsbescheinigung schon etliche Unternehmer Grundstücke gekauft haben, auch wenn die Eigentumsfrage noch nicht geklärt war. Dabei wurden in der Regel Entschädigungssummen gezahlt, die in etwa dem aktuellen Wert auf dem Immobilienmarkt entsprechen oder ein bißchen darunter liegen. Solange jedoch von Entschädigungen auf der Grundlage der Einheitswerte aus den dreißiger Jahren die Rede sei, „ist niemand bereit, auf ein Grundstück, das heute den 20fachen Wert hat, zu verzichten“, sagte der Geschäftsführer des Verbandes, Probandt.
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