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„Warteschleife“ auf dem Prüfstand

■ Seit gestern verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Zukunft von 600.000 öffentlich Bediensteten in der Ex-DDR/ KlägerInnen wehren sich gegen automatisches Ende ihrer Verträge

Berlin (taz/ap) — Durfte im Einigungsvertrag festgelegt werden, daß rund 600.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes der Ex-DDR in einen sechs- bzw. neunmonatigen Wartestand versetzt werden und bis zu einer Entscheidung über ihre „Weiterverwendung“ nur 70 Prozent ihres Gehalts bekommen? Und ist es verfassungskonform, daß ihre Verträge danach ohne förmliche Kündigung einfach auslaufen? Mit diesen Fragen muß sich seit gestern der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts befassen. Die höchsten Richter der Nation haben die Klagen von 304 KlägerInnen zu prüfen, die nach der Regelung des Einigungsvertrages in die sogenannte Warteschleife geschickt wurden.

Von der Warteschleifenregelung ist rund ein Drittel des einst sehr aufgeblähten öffentlichen Dienstes der Ex-DDR betroffen. Die KlägerInnen, die unter anderem vom Arbeitslosenverband in den fünf neuen Ländern und den Gewerkschaften unterstüzt werden, bestreiten nicht, daß die öffentliche Verwaltung abgespeckt und umstrukturiert werden muß. Sie halten es jedoch für verfassungswidrig, daß die öffentlich Bediensteten am Ende der Wartezeit mehrheitlich nicht übernommen werden und damit arbeitlos werden, ohne regulär gekündigt worden zu sein. Bei einem normalen Kündigungsverfahren hätten sie zumindest rechtliche Möglichkeiten, sich zu wehren. Außerdem könnten sie auf Kündigungsfristen, sozialer Abfederung und sozialen Auswahlkriterien bei den Entlassungen bestehen.

Als Bevollmächtigter der 304 KlägerInnen argumentierte der Frankfurter Rechtsanwalt Johannes Zindel gestern vor den Karlsruher Richtern, die umstrittene Warteschleifenregelung verstoße gegen die vom Grundgesetz garantierte Berufsfreiheit, gegen die Eigentumsgarantie, die Menschenwürde und gegen das Prinzip der Gleichbehandlung. Die ehemaligen Staatsdiener würden damit anders behandelt als Arbeitnehmer in der gewerblichen Wirtschaft, die für sich einen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen könnten. Staatssekretär Kroppenstedt aus dem Bundesinnenministerium hielt den KlägerInnen entgegen, die Warteschleife sei doch schon ein Sozialplan. Die Bundesverwaltung könne unmöglich sämtliche Beschäftigte der überbesetzten Verwaltung der DDR übernehmen. Ein anderer Prozeßbevollmächtigter der Bundesregierung argumentierte strikt formal: Mit dem Untergang der DDR seien auch die Arbeitsverhältnisse der öffentlich Bediensteten erloschen. Mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird frühestens Ende April gerechnet. Die jüngeren Betroffenen, deren Verträge Ende März auslaufen, werden bis dahin nicht mehr in der Warteschleife stehen, sondern in der Warteschlange beim Arbeitsamt. Ve.

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