Steuerboykott zugunsten der Golfflüchtlinge

■ Hilfsorganisationen berichten über Situation der Flüchtlinge in der Golfregion/ Regierung bezahlt für den Krieg, nicht für Flüchtlinge

Berlin (taz) — Der Golfkrieg ist zu Ende, nicht aber die Zensur. Während den Soldaten der Alliierten-Armeen vor laufenden Kameras in der Heimat patriotische Empfänge bereitet werden, versuchen Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen für die Flüchtlinge in der Golfregion das Überleben zu organisieren — fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Unter dem Stichwort „Humanitäre Hilfe statt Militärhilfe“ berichteten gestern in Berlin VertreterInnen von medico international, der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), des Vereins iranischer Flüchtlinge und der Kurdistan Relief Association über die Situation Hunderttausender Flüchtlinge in der Golfregion, vor allem aber im Iran und der Türkei.

Scharfe Kritik übte medico international am türkischen Roten Halbmond, der islamischen Schwesterorganisation des Roten Kreuzes. Anstatt eine akzeptable Betreuung der Flüchtlinge zu gewährleisten, so Ronald Ofteringer von medico, „baut man hermetisch abgeriegelte Gefangenenlager“, die allenfalls für regierungsloyale Journalisten zugänglich seien. In die Türkei haben sich nach Angaben der GfbV nicht nur Kurden aus dem Irak, sondern auch rund 9.000 assyrische Christen geflüchtet, die im Irak aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit zunehmend pogromartigen Übergriffen ausgesetzt seien. Ein weiterer Exodus, so ein Vertreter der Arabischen Kulturgesellschaft, bahne sich in Kuwait an. Bereits 30.000 Palästinenser seien aus Angst vor Repressalien durch Kuwaitis aufgrund der palästinensischen Unterstützung für Saddam Hussein nach Jordanien geflohen.

Unverändert schlecht stellt sich die Situation auch für rund 100.000 vorwiegend kurdische Flüchtlinge im Iran dar. Die Betreuung und Versorgung, so berichtete ein Vertreter der Kurdistan Relief Association, die sich 1988 nach den irakischen Giftgasangriffen gegründet hat, sei durch den Golfkrieg massiv erschwert worden. Reis gehöre unter den rationierten Lebensmitteln mittlerweile zu Luxusartikeln.

Zu den Mitverursachern dieser Kriegsfolgen gehört maßgeblich die Bundesregierung, die mit 17 Milliarden Mark Zuschuß für die Alliierten- Kriegskasse zum zweitgrößten Finanzier des Golfkrieges geworden ist. Von ähnlichem Engagement für die Unterstützung von Flüchtlingen und Hilfsorganisationen war aus Bonn bislang nichts zu hören. Neben Spendenaufrufen und Medikamententransporten für die irakische Zivilbevölkerung fanden gestern in Berlin vor allem Initiativen für einen Kriegssteuerboykott erhöhte Aufmerksamkeit. Einen anderen Weg der Finanzbeschaffung für Hilfsorganisationen schlägt die GfbV ein: Sie will deutsche Firmen, die an der Aufrüstung des Iraks mit Chemiewaffen verdient haben, auf Schadensersatz verklagen. Andrea Böhm