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PLO startet Versuchsballon

■ Arafat-Berater Abu Sharif berichtet über neue Friedensinitiative/ Kompromißbereitschaft auch bei Grenzen des zukünftigen Palästinas/ Regierung Schamir: „Was die PLO sagt, interessiert uns nicht“

Berlin/Tel Aviv (taz) — Die jüngsten Äußerungen eines führenden palästinensischen Politikers über eine neue Friedensinitiative der PLO sind in den eigenen Reihen auf Widerspruch gestoßen. Wieder einmal hatte PLO-Chef Yassir Arafat seinen Berater Bassam Abu Sharif vorgeschickt, wieder einmal sorgte dieser mit seinen Äußerungen für Furore. Der Stein des Anstoßes: Abu Sharif hatte in einem Interview mit dem britischen Privatsender Sky News eine Friedensinitiative angekündigt, die neue Konzessionen an Israel enthält. Der Arafat-Berater griff in diesem Zusammenhang einen Begriff von US-Außenminister James Baker auf und sprach von „neuen Ideen“, die den Friedensprozeß erleichtern würden. Der Plan sollte heute in London auf einer Pressekonferenz vorgestellt werden, die jedoch gestern nachmittag wieder abgesagt wurde.

Dem Bericht von Sky News zufolge rückt die PLO mit der neuen Initiative von ihrer Forderung nach einem vollständigen Abzug Israels aus den besetzten Gebieten ab. Nach dem Plan sollen die Palästinenser nicht mehr die Herausgabe des gesamten Gaza-Streifens und der Westbank für die Schaffung eines unabhängigen Palästinenserstaates fordern, sondern geringfügige Abstriche hinnehmen. Die Grenzen sollten in einem Kompromiß mit Israel festgelegt werden. In einem späteren Interview mit dem britischen Rundfunksender BBC sagte Abu Sharif, dabei müsse auch über einen Korridor zwischen dem Gaza-Streifen und der Westbank gesprochen werden. In diesem Zusammenhang könne auch über Jerusalem gesprochen werden, ein Problem, an dem viele Seiten — nicht nur Israelis und Palästinenser — interessiert seien.

Auch in der Frage der künftigen Rolle der PLO zeigte sich der Arafat- Berater offen. Der Sky-News-Darstellung zufolge ist die PLO bereit, von ihrer Forderung abzurücken, als gleichberechtigter Verhandlungspartner aufzutreten. Die Gespräche sollen von nicht zur PLO gehörenden Palästinensern geführt werden, die im Auftrag der Befreiungsorganisation handeln. Ähnliche Varianten waren schon in der Phase der Gespräche zwischen den USA und der PLO anvisiert worden. Außerdem soll der Plan explizit festhalten, daß das künftige Palästina nicht automatisch ein von der PLO regierter Staat mit Arafat an der Spitze werden soll. Die Palästinenser sollten in einer demokratischen Wahl ihre Regierung bestimmen. Abu Sharif betonte in dem BBC-Interview jedoch auch, daß die PLO die Palästinenser repräsentiere und deshalb bei Verhandlungen nicht übergangen werden könne. Mit diesem Plan will die PLO nach Angaben Abu Sharifs die israelische Regierung an den Verhandlungstisch bringen. Das erste Signal aus dieser Richtung war jedoch, wie üblich, negativ. „Was die PLO sagt, interessiert uns nicht“, erklärte der Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Jizchak Schamir kurzerhand. Aber auch aus der PLO-Zentrale kamen die üblichen Querschläger. Ein offizieller Sprecher sagte, Abu Sharif „repräsentiere nur sich selbst“. Auch der Leiter der Informationsabteilung der PLO, Yassir Abed Rabbo, bestritt gestern gegenüber 'afp‘, daß Abu Sharif im Namen der PLO gesprochen habe. Seine Äußerungen stünden im totalen Widerspruch zu den Positionen der PLO sowie aller palästinensischer Kräfte außerhalb und innerhalb der besetzten Gebiete.

Hintergrund des palästinensischen Versuchsballons dürfte die jüngste Rundreise von US-Außenminister James Baker und die Befürchtung eines amerikanisch-israelisch-arabischen „Durchmarschs“ sein, bei dem die PLO außen vor bleibt. Dabei wird auch das Treffen Bakers mit einer Gruppe von Palästinensern aus den besetzten Gebieten eine Rolle gespielt haben. Nach palästinensischer Auffassung ist damit der wechselseitige Boykott durchbrochen, auch wenn es sich zunächst nur um eine Art „vertrauensbildende Maßnahme“ handelte und die Kontakte einstweilen auf Ostjerusalemer Palästinenserführer und US-Diplomaten beschränkt bleiben.

Unter linksgerichteten palästinensischen Organisationen hatte bereits das Treffen mit Baker für Kritik gesorgt. Dabei ging es weniger um die Inhalte des Memorandums, das die palästinensische Delegation Baker überreichte, sondern eher um die Umstände des Besuchs und die Grundhaltung der US-Administration zum israelisch-palästinensischen Konflikt; Vorbehalte, die auch für die jüngste PLO-Initiative gelten. Organisatonen wie die PFLP, die Kommunistische Partei und ein Teil der DFLP befürchten, daß nun zuviele Konzessionen an Schamir und Bush gemacht werden.

US-Außenminister Baker ist unterdessen gestern nach Syrien weitergereist. Am Vorabend zeigte er sich anläßlich eines Höflichkeitsbesuchs beim israelischen Staatspräsidenten Herzog zufrieden mit seinen Gesprächen in Israel. Durch die Entwicklung nach dem Ende des Krieges gegen den Irak sei „ein Fenster geöffnet“ worden, das einen Weg zum Frieden im Nahen Osten sichtbar mache. B. S./A. W.

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