SPD mag keinen grünen „Bullen“ als Chef

Bündnis 90 will Manfred Such, „kritischer Polizist“ und grüner Ex-MdB, als einen von sechs Polizeipräsidenten in Brandenburg/ SPD-Innenminister blockiert/ CDU startet Anti-Such-Kampagne/ In Potsdam droht Koalitionsknatsch  ■ Aus Düsseldorf Walter Jacobs

Henrik Poller, innenpolitischer Sprecher der Bündnis-90-Fraktion im Potsdamer Landtag, gibt sich optimistisch: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Innenminister letztendlich zu Manfred Such Nein sagen wird.“ Helga Wanke, Pressesprecherin des brandenburgischen Innenministers Alwin Ziel (SPD), ist vom Gegenteil überzeugt. Sie hält es für „fast ausgeschlossen“, daß der vom Bündnis 90 vorgeschlagene Kandidat künftig als einer von sechs Polizeipräsidenten in Brandenburg seinen Dienst versehen könnte. Zwar räumt die Koalitionsvereinbarung auch dem Bündnis 90 ein Vorschlagsrecht ein, doch der präsentierte Kandidat erzeugt nicht nur bei den Christdemokraten wütende Reflexe. Auch die Sozialdemokraten gehen auf Distanz.

Der Streit wurzelt im Westen. Kriminalhauptkommissar Manfred Such, Ex-Kripo-Chef in der westfälischen Kleinstadt Werl, hat sich in der alten Bundesrepublik als kenntnisreicher Polizeikritiker einen Namen gemacht. Seine Erfahrungen im Dienst, die er sich in dem Buch Bürger statt Bullen von der Seele schrieb, führten ihn zur „Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten und Polizistinnen“, wo er für eine „bürgernahe Polizei“ stritt. Im Mai 1988 empfing Such vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) den Gustav-Heinemann-Bürgerpreis. In seiner Laudatio rühmte Ex-Finanzminister Dieter Posser (SPD) die „kritischen Polizisten“ und zeigte sich „zuversichtlich“, daß deren Beiträge „Änderungen und Verbesserungen bewirken werden“. Ein paar Monate später war der soeben noch Hochgelobte auch bei der SPD out. In einem heißen Fernsehdisput mit dem ehemaligen Berliner Ex-Innensenator Lummer hatte Such den CDU-Rechtsaußen gefragt: „Was glauben Sie denn, was passiert, wenn ich als Polizist sage: Da hat ein Kollege rechtswidrig gehandelt? Das erlebe ich in meinem praktischen Dienst fast täglich.“ So ein Polizist, meinte Such, muß damit rechnen, daß er letztlich unmöglich gemacht wird bei der Polizei. Dutzende Berufskollegen stellten daraufhin Strafanzeige wegen Beleidigung. Der aufmüpfige Polizist wurde mit Zustimmung des eher liberalen Innenministers Herbert Schnoor (SPD) strafversetzt und kaltgestellt. Wenig später zog Such für die Grünen in den Bundestag ein.

In NRW rief die Aussicht, Manfred Such künftig als Polizeipräsident in Brandenburg zu sehen, zunächst die CDU auf den Plan. Deren innenpolitischer Sprecher Heinz Paus bellte, man mache damit „den Bock zum Gärtner“. Such habe „die Arbeit der Polizei in beispielloser Weise diffamiert“. In Berlin sah der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky gar ein „Sicherheitsrisiko“ für die ganze Region. Die SPD reagierte still, aber effektiv. Kein öffentliches Wort, statt dessen Formalien: Ein Ossi müsse es sein und ein Zivilist. Beides Anforderung, die Such nicht erfüllt. Innenstaatssekretär Ruckriegel, der Such von seiner früheren Tätigkeit als Leiter der Polizeiabteilung im Düsseldorfer Innenministerium her bestens kennt, betonte, für den Job komme „niemand in Frage, der Polizist ist“. Man wolle eine Führung, „die bürgernah ist und zivil denkt“. Eine Anspruch, für dessen Einlösung der kritische Polizist Such geradezu prädestiniert scheint. Vom durchaus vernünftigen Prinzip der zivilen Führung weicht die nordrhein-westfälische Landesregierung, die fast die gesamte Führungsebene im Brandenburger Innenministerium mit NRW-Beamten versorgt hat, auch im eigenen Land schon mal ab. So startete Bielefelds langjähriger Polizeipräsident Schirrmacher einst als einfacher Polizist ins Berufsleben. Gleiches gilt für den ehemaligen Polizeipräsidenten von West-Berlin, Hübner. Was im innenpolitisch als besonders liberal geltenden NRW geht, verletzt in Brandenburg den Anspruch der Zivilität? Die Vermutung liegt nahe, daß man mit Kriterienreiterei einen unbequemen Mann vermeintlich elegant ausbremsen will. Man muß es ja nicht wie in Mecklenburg-Vorpommern regeln, wo die sechs Polizeidirektionen des Landes ausnahmslos von Polizisten geführt werden — 4 Ossis, 2 Wessis.