: Tröter und Kiekser
■ Trio-Dreier-Pack mit Stilvielfalt im Wehrschloß
Den Anfang machten Dustbin, und es war schon zehn Uhr. Drei junge Bremer an Gitarre, Baß und Schlagzeug versuchten sich in der Kunst des gepflegten Krachs, und zwar „so prollig, wie die Leute es eben haben wollen“, wie einer von ihnen hinterher betonte. Das Headbanger-Trio sorgte am Mittwoch im Wehrschloß zumindest gleich zu Beginn für matschige Ohren. Der Sänger dürfte bei seinem Geröhre mit Sicherheit noch heute heiser sein. Musikalisch sollten die drei ihr eingeschränktes Akkord-Geschrammel erweitern — den Ohren zuliebe.
Das zweite Trio aus Chicago, Urge Overkill, ging zwar auch in die Vollen und spielte sogar in der gleichen Besetzung, aber ihr Repertoire wies trotz der unüberhörbaren 60er-und 70er Jahre-Bezüge mehr Abwechslung auf. Ihr Hardcore-Gebolze war wenigstens mit einigen Breaks und tonalen Variationen versehen. Lustig der schwer arbeitende Drummer: Wie ein mechanisches Blechäffchen hackte er auf seinen Fellen herum, daß es auch visuell eine Freude war.
Ein Schlagzeug, eine Gitarre und ein Saxophon sind auch ein Trio, wenngleich es in diesem Fall schon schwieriger vorstellbar ist, wie das klingt - besonders, wenn das melodietragende Blasinstrument durch eine quäkige Stimme ersetzt wird. Blurt mit dem unverwüstlichen Haudegen Ted Milton am Saxophon gab sich wieder mal die Ehre, mittlerweile zum minimalistischen Dreier geschrumpft (“der Vierte paßte nicht mehr ins Taxi“). Der seitwärts kahlrasierte Engländer ist ein Paradebeispiel des skurrilen Briten mit dem gewissen Tick. Herr Milton schnarrt im Sing- Sang gern groteske Texte, zum Beispiel über Bratislava, ins Mikrophon. Dann schnappt er sich schnell das Blechinstrumet, um in den höchsten Tönen zum spärlichen, aber präzisen Rhythmus seiner beiden Begleiter nöliges Liedgut ins Publikum zu blasen. Einige auf beinharte Musik eingestellte BesucherInnen begannen das Gesicht zu verziehen. Milton ist ein schräges Original, der Mitspieler nur zur Unterstützung seiner Personality-Show benötigt. Diesmal hatte er Glück, denn die beiden spielten sehr diszpliniert und aufmerksam und vergaßen auch nicht den kleinsten Tröter und schrägesten Kiekser wirkungsvoll zu begleiten.
Gegen zwei Uhr nachts war das Saxophon kaputt, die Aufmerksamkeit dahin und die Überraschung der Stil-Mixtur verflogen. Endlich schlafen. Cool J.F.
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