Krise bei Zufluchtstellen für Mädchen

■ Durch anstehende Kürzungen befürchtet »Wildwasser« in Zukunft Arbeitsunfähigkeit/ Schon jetzt Wartezeiten bis zu vier Monaten/ Auch Etat des einzigen Westberliner Mädchenhauses soll schrumpfen

Berlin. Seelisch und psychisch mißhandelte Mädchen werden es in Zukunft noch schwerer haben, Hilfe und Zuflucht zu finden. Wie die Mitarbeiterinnen von »Wildwasser« (Arbeitsgemeinschaft gegen sexuellen Mißbrauch an Mädchen) gestern erklärten, sehen sie ihr bislang von der Bundesregierung und dem Senat gefördertes Modellprojekt erheblich gefährdet.

Für Wildwasser hieße dies, daß die Mädchenberatungsstelle samt angeschlossener Zufluchtswohnung arbeitsunfähig gemacht würde, mindestens vier Personalstellen fielen weg. Schon jetzt müßten Mädchen, die nicht persönlich, sondern über andere Institutionen wie Schule oder Kindergarten bei Wildwasser vorstellig werden, bis zu vier Monate warten. Allein von Mitte 1988 bis Anfang 1990 wurden 140 Mädchen, 118 Mütter und 268 professionelle HelferInnen von Wildwasser betreut.

Der Hintergrund: Wildwasser mit seinen Beratungsstellen für Mädchen und Mütter sowie der sechs Plätze umfassenden Mädchenzufluchtswohnung wurde seit 1988 zu 40 Prozent aus Bonn finanziert. Der Status des Modellprojektes ist jedoch auf drei Jahre begrenzt, heißt: Ab April dieses Jahres braucht Bonn nicht mehr zu zahlen. Dies bedeutet eine Beschneidung für das Projekt, die auch der ohnehin schon arg gebeutelte Berliner Haushalt sicher nicht auffangen kann. Darüber hinaus, fürchten die Mitarbeiterinnen, kommen auf das Projekt noch weitere Kürzungen im Rahmen der allgemeinen Sparmaßnahmen zu.

Um das Projekt möglichst wenig finanziell beschneiden zu müssen, forderte die Jugendverwaltung Wildwasser auf, darüber nachzudenken, ob sie nicht eine »Dependance« in Ost-Berlin einrichten wollen. Personell könnte diese Zweigstelle mit ABM-Kräften aus dem Ostteil der Stadt ausgestattet werden. Hintergedanke: Durch verwaltungstechnische Umschichtungen ließen sich die wegfallenden 40 Prozent wieder ausgleichen. Kommenden Dienstag wollen die Wildwasser-Frauen darüber beraten. Doch selbst wenn sie zustimmen, ist die Weiterfinanzierung noch nicht endgültig gesichert.

Noch übler sieht es voraussichtlich für das einzige Westberliner Mädchenhaus (zehn Plätze) aus: Die Mitarbeiterinnen erhielten die Nachricht, daß sie möglicherweise um 30 Prozent, sprich 250.000 Mark gekürzt werden — damit fielen vier von neun Stellen weg. Darüber hinaus soll die bislang gewährte Pauschalfinanzierung — sie wird in den ersten vier Monaten gezahlt und verhindert, daß das Mädchen in dieser Zeit in die Mühlen der Behörden gerät — auf einen Monat zurückgenommen wird. »Wir können jetzt schon niemanden mehr aufnehmen, weil wir die Verantwortung nicht übernehmen können«, meint Mitarbeiterin Dauda Wiederstein.

Jugendverwaltungssprecher Thorsten Schiller wollte und konnte sich gestern auf Anfrage nicht festlegen, was mit den Mädchenprojekten in Zukunft geschieht. Sobald der Finanzsenat am kommenden Dienstag die Eckdaten für die Haushaltsplanung bekannt gäbe, »wissen wir, wieviel wir sparen müssen«. Man werde dann innerhalb der Verwaltung die Umsetzung der Sparmaßnahmen beraten, »Ende nächster Woche wissen wir Genaueres«. maz